Rom. Monatelang stritt Italiens Politik über den EU-Wiederaufbaufonds. Das schwer von Corona getroffene Land braucht die Milliardenhilfen. Doch der Plan der Regierung muss noch eine wichtige Hürde nehmen.

Wenige Tage vor Fristende steuert Italien weiter auf die ersehnten EU-Milliarden zu. In einer nächtlichen Sitzung gab die Regierung grünes Licht für den Finanzierungsplan zum wirtschaftlichen Aufbau und für Zukunftsinvestitionen nach der Corona-Krise.

Das hart von der Pandemie getroffene Land hat Aussicht auf 191,5 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds. Italien erhalte am meisten aus diesen EU-Instrumenten, teilte die Regierung in der Nacht zu Sonntag mit. Der Plan muss noch durchs Parlament.

Die EU-Gelder und zusätzliche nationale Fonds bilden zusammen den sogenannten Plan für die Neubelebung und Widerstandsfähigkeit. Er soll laut Regierung insgesamt rund 222,1 Milliarden Euro umfassen. Die Regierung des früheren Chefs der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, will damit Reformen und Investitionen vor allem im Bereich Digitalisierung und ökologischer Umbau finanzieren. Außerdem dienen die Mittel der Modernisierung der öffentliche Verwaltung und Justiz sowie dem Ausbau der Infrastruktur und Investitionen in den wirtschaftlich schwachen Süden des 60-Millionen-Einwohner-Landes.

Die Investitionen richten sich auch nach Vorgaben der EU und sind laut Regierung für sechs Kategorien vorgesehen: Die erste umfasst Bereiche wie Digitalisierung, Wettbewerbsfähigkeit und Kultur mit 49,2 Milliarden Euro; die zweite die "grüne Revolution" und den ökologischen Umbau mit 68,6 Milliarden Euro. In diese Bereiche soll damit am meisten Geld fließen. Weitere sind demnach nachhaltige Mobilität in der Infrastruktur (31,4 Milliarden Euro), Forschung und Lehre (31,9 Milliarden Euro), Inklusion (22,4 Milliarden Euro) sowie Gesundheit (18,5 Milliarden Euro). 40 Prozent sollen in sogenannte grüne Projekte fließen, 27 Prozent in digitale.

Die Maßnahmen dürften auch das Wachstum des italienischen Bruttoinlandsprodukts merklich beeinflussen. Die Regierung schätzt, dass es im Jahr 2026 - wenn alle Projekte abgeschlossen sein sollen - dadurch um 3,6 Prozentpunkte höher liegt als ohne diese Maßnahmen. Einen Anstieg erwartet sie auch bei der Beschäftigung. Streit gab es bis zuletzt unter anderem beim Superbonus. Dabei handelt es sich um einen Steuerabzug von 110 Prozent zum Beispiel für Baumaßnahmen im Bereich Energieeffizienz. Mehrere Parteien hatten gefordert, diese Begünstigung bis 2023 zu verlängern. Das Kabinett verschob Berichten zufolge deshalb die für Freitag angesetzte Sitzung auf Samstag.

Um sich die Gelder der EU zu sichern, muss Italien den Plan bis spätestens 30. April bei der EU-Kommission einreichen. Über die Verwendung der Mittel wurde seit Monaten gestritten. Die Uneinigkeit darüber war auch Grund für den Zerfall der Vorgängerregierung unter Giuseppe Conte. Seit Mitte Februar ist Draghis Regierung im Amt. Sie wird von einem überwiegenden Teil der Parlamentsparteien unterstützt. Den Investitionsplan auf den Weg zu bringen, ist eine große Herausforderung von Draghis Präsidentschaft.

Am Montag und Dienstag will der 73-Jährige das Programm in den zwei Kammern des Parlaments vorstellen, die noch darüber abstimmen müssen. Aus den Reihen der Opposition kritisierte die Chefin der rechtsextremen Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni, dass das Parlament gar nicht genügend Zeit habe, um über den Plan zu debattieren. Die italienische Demokratie werde auf die Müllhalde geworfen.

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