Ankara/Athen. Die Erkundungen der “Oruc Reis“ im Mittelmeer haben den Konflikt zwischen Athen und Ankara um Erdgasvorkommen hochkochen lassen. Jetzt ist das Schiff zurück im türkischen Hafen. Folgt nun die Entspannung?

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Das türkische Forschungsschiff "Oruc Reis" ist nach der international umstrittenen Erkundung von Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer in den türkischen Hafen Antalya zurückgekehrt.

Griechenland begrüßte das Ende der Forschungen. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Sonntag im griechischen Fernsehen (ERT). Seine Regierung fordere nun weitere Schritte von der Türkei, damit es zu einem Dialog über die Festlegung sogenannter ausschließlicher Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer kommen könne.

Zur Rückkehr des Schiffes am Samstag sagte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas im Nachrichtensender Skai: "Es ist ein positiver Schritt." Von offizieller türkischer Seite gab es am Sonntag zunächst keine Reaktion.

Die "Oruc Reis" hatte seit der zweiten Augustwoche im östlichen Mittelmeer vor griechischen Inseln und westlich von Zypern nach Erdgas gesucht. Der Einsatz wurde mehrmals und zuletzt bis zum 12. September verlängert. An der Mission hat sich ein lange schwelender Streit um Erdgas zwischen Griechenland und der Türkei wieder entzündet.

Ankara argumentiert, dass das Gebiet, in dem das Schiff nach Erdgas sucht, zum türkischen Festlandsockel gehört und das Land damit das Recht auf Ausbeutung hat. Der Türkei sind aber die griechischen Inseln Rhodos und Kastelorizo vorgelagert, weshalb das EU-Mitglied Griechenland das Seegebiet für sich beansprucht. Einen ähnlichen Konflikt gibt es um die Insel Zypern, vor deren Küste schon reiche Erdgasvorkommen entdeckt wurden.

Am Samstag besuchte US-Außenminister Mike Pompeo die Insel und traf sich mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades. "Wir sind besorgt über die Aktionen der Türkei in der Region", sagte Pompeo in einer Stellungnahme, die von dem zyprischen Staatssender RIK übertragen wurde. Die Tatsache, dass Pompeo sich während der Visite nicht auch mit dem Präsidenten der nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern traf, wurde in Nikosia als diplomatischer Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Hohe US-Vertreter statten normalerweise beiden Teilen der Insel einen Besuch ab.

Griechenland hatte zudem am Samstag bekannt gegeben, ein umfangreiches Aufrüstungsprogramm in die Wege geleitet zu haben. Mitsotakis' Regierung will den Angaben zufolge 18 französische Mehrzweckjets vom Typ Rafale kaufen. Zudem sollen vier neue Fregatten angeschafft und vier weitere vorhandene Fregatten aus deutscher Produktion modernisiert werden.

Auch der Bestand an Flugabwehrraketen, Torpedos und anderer Munition werde erhöht. Darüber hinaus solle die griechische Waffenindustrie verstärkt zur Rüstung des Landes beitragen - das betrifft etwa Werften nahe Athen. Das militärische Personal wird nach den Worten von Mitsotakis ebenfalls ausgebaut: 15 000 neue Berufssoldaten sollen in den kommenden fünf Jahren eingestellt werden.

Mitsotakis betonte, Griechenland sei bereit, die Differenzen im Zusammenhang mit dem Erdgaskonflikt mit der Türkei friedlich zu lösen. Wolle die Türkei dies ebenfalls und komme es dennoch zu keiner Einigung, könne man das strittige Thema der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) vor den Internationalen Gerichtshof bringen.

Auch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte die Erdgaserkundungen der Türkei verurteilt und als "inakzeptabel" kritisiert. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan richtete daraufhin eine Warnung an Macron: "Legen Sie sich nicht mit dem türkischen Volk an, legen Sie sich nicht mit der Türkei an", sagte er am Samstag bei einer Veranstaltung in Istanbul. "Herr Macron, Sie werden noch viel mehr Probleme mit mir haben", kündigte Erdogan an.

Macron und Partner aus dem europäischen Süden hatten die Türkei zum Kurswechsel aufgefordert. Die EU hatte Ankara wegen der Erdgaserkundungen bereits ein Ultimatum gestellt und mit zusätzlichen Sanktionen gedroht. Wenn es in den nächsten Wochen keine Fortschritte beim Dialog gebe, könne beim EU-Sondergipfel am 24. September eine Liste weiterer Strafmaßnahmen diskutiert werden, hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Ende August angekündigt. Diese würden auch Wirtschaftssanktionen umfassen.

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