Washington/Peking. Die Beziehungen zwischen den USA und China sind so schlecht wie nie. Zu den Spannungen kommt jetzt eine beispiellose Eskalation: Chinas Diplomaten in Houston müssen die USA innerhalb von 72 Stunden verlassen.

Die USA haben die Schließung des chinesischen Konsulats in der texanischen Stadt Houston angeordnet und die Spannungen zwischen beiden Ländern damit deutlich verschärft.

Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin sprach in Peking von einem "ungeheuerlichen und ungerechtfertigten Schritt". "Wir fordern die USA auf, ihre falsche Entscheidung sofort zurückzuziehen", sagte er. "Anderenfalls wird China eine legitime und notwendige Reaktion geben." Nach Angaben in Staatsmedien haben die Diplomaten nur 72 Stunden Zeit, um die USA zu verlassen.

Die Schließung erfolge, "um geistiges amerikanisches Eigentum und private amerikanische Informationen zu schützen", teilte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Morgan Ortagus, mit. Nach der Wiener Konvention hätten Diplomaten die Gesetze und Vorschriften des jeweiligen Gastlandes zu respektieren. Auch hätten sie die Pflicht, "sich nicht in innere Angelegenheiten des Staates einzumischen". Vermutet wird, dass China als Gegenmaßnahme amerikanische Diplomaten ausweisen wird.

Ortagus sagte weiter, die USA ließen nicht zu, dass ihre Souveränität verletzt und Amerikaner eingeschüchtert würden. Auch unfaire Handelspraktiken, Diebstahl amerikanischer Jobs und anderes "ungeheuerliches Verhalten" würden nicht geduldet. Details nannte sie zunächst nicht. Chinas Außenamtssprecher sprach von einer "politischen Provokation".

Aus dem US-Außenministerium hieß es weiter, die chinesische Regierung führe seit langem illegale Operationen zur Spionage und zur Einflussnahme in den USA aus. Diese hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Regierungsvertreter hätten sich unter anderem in die US-Innenpolitik eingemischt, geistiges Eigentum gestohlen, amerikanische Manager unter Druck gesetzt und Familien von Amerikanern mit chinesischen Wurzeln in China bedroht.

US-Außenminister Mike Pompeo sagte in Kopenhagen, China stehle geistiges Eigentum nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Das koste Hunderttausende Arbeitsplätze. "Wir werden nicht erlauben, dass das weiter passiert", betonte Pompeo. "Wir setzen unsere klaren Erwartungen, wie sich die chinesische Kommunistische Partei zu verhalten hat. Und wenn sie das nicht tun, dann werden wir Schritte ergreifen, um die amerikanische Bevölkerung, unsere nationale Sicherheit und auch unsere Wirtschaft und Jobs zu schützen."

Die angeordnete Schließung verschärft die Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften, die schon wegen Chinas Umgang mit dem Ausbruch des Coronavirus, der Handelspolitik und dem harten chinesischen Vorgehen in Hongkong und in Xinjiang im Streit liegen. Das Verhältnis ist aus chinesischer Sicht so schlecht wie seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979 nicht mehr. Schon zuvor hatte es Gerangel um Diplomaten auf beiden Seiten gegeben.

Das US-Justizministerium hatte am Dienstag eine Anklage veröffentlicht, in der zwei chinesischen Hackern der Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen und geistigem Eigentum im Wert von Hunderten Millionen Dollar vorgeworfen wird. Die beiden in China lebenden Beschuldigten seien vom Ministerium für Staatssicherheit unterstützt worden. Sie hätten zuletzt Unternehmen ins Visier genommen, die in der Corona-Pandemie an Impfstoffen und Behandlungsmethoden arbeiteten.

Der lokale Sender Fox 26 berichtete unter Berufung auf die Polizei in Houston, chinesische Diplomaten würden im Hof des Konsulats geheime Dokumente verbrennen. Die Polizei in Houston - der viertgrößten Stadt der USA - teilte mit, die Feuerwehr sei gerufen worden, nachdem Rauch beobachtet worden sei. Polizisten sei der Zutritt zum Konsulatsgebäude nicht gestattet worden. Chinas Außenamtssprecher wollte die Berichte auf Fragen von Journalisten nicht bestätigen, sondern sagte nur, das Konsulat arbeite "normal".

Der chinesische Sprecher sagte, die US-Regierung habe am Dienstag überraschend gefordert, dass das Generalkonsulat in Houston "seinen ganzen Betrieb und alle Veranstaltungen einstellt". Der Schritt verstoße gegen internationale Normen sowie die konsularischen Vereinbarungen beider Länder und werde die Beziehungen "sabotieren".

Seit einiger Zeit schon belästigten die USA das diplomatische und konsularische Personal Chinas, kritisierte Wang Wenbin. Auch sei diplomatische Post, die eigentlich geschützt ist, mehrfach geöffnet worden. Auch seien dabei Gegenstände konfisziert worden. Die einseitige Schließung eines Konsulats in einer derart kurzen Zeit sei eine "beispiellose Eskalation des jüngsten Vorgehens gegen China".

Die USA hätten im vergangenen Oktober und im Juni schon zweimal Beschränkungen gegen diplomatisches Personal erlassen, beklagte der Außenamtssprecher. Er warf amerikanischen Diplomaten in China seinerseits vor, sich in China "einzumischen" und die Gesellschaft zu "infiltrieren". Auch gebe es mehr Personal in den diplomatischen Missionen der USA in China als umgekehrt.

Das Konsulat in Houston ist vergleichsweise groß - mit Dutzenden von Diplomaten. Es dient den Südstaaten der USA. Allerdings ist die Visavergabe wegen der Corona-Pandemie ohnehin eingestellt, da China die Grenze für Ausländer seit März praktisch dicht gemacht hat.

Im diplomatischen Geschäft folgt auf eine drastische Maßnahme wie die Schließung eines Konsulats oder die Ausweisung von Diplomaten meist eine ähnliche Gegenreaktion, so dass eines der fünf Konsulate der USA in China in Chengdu, Guangzhou, Shanghai, Shenyang und Wuhan von Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein könnten.

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