Istanbul. Der in der Türkei erneut festgenommene Intellektuelle Osman Kavala erklärt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als noch irrationaler als bei der ersten Festnahme. Sie gingen erneut auf das Konto Erdogans.

Nach seinem Freispruch im prominenten Gezi-Prozess und der schnellen Wieder-Festnahme wegen neuer Vorwürfe hat sich der türkische Intellektuelle Osman Kavala erstmals zu Wort gemeldet.

Er sprach in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme von "intensiver Böswilligkeit" und machte Präsident Recep Tayyip Erdogan für seine abermalige Untersuchungshaft verantwortlich.

"Die Behauptung, dass ich ein Planer des Putschversuchs vom 15. Juli sei, ist noch viel irrationaler als die Behauptung, dass ich die Gezi-Proteste geplant und organisiert habe, und zeugt von intensiver Böswilligkeit", hieß es in der Stellungnahme. Er habe gehofft, dass der Gezi-Prozess dazu beitrage, die Probleme in der Justiz zu erkennen und damit zu bessern. "Aber leider hat die Intervention des Präsidenten diese Möglichkeit verhindert und ich wurde daraufhin auf eine noch viel rechtswidrigere Weise und mit einer irrationalen Anschuldigung von neuem verhaftet."

Am Dienstag hatte ein Gericht in Istanbul Kavala und acht weitere Angeklagte vom Vorwurf des Umsturzversuchs im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 freigesprochen. Das Gericht ordnete zudem an, Kavala nach mehr als zwei Jahren U-Haft freizulassen. Er wurde aber sofort wieder festgenommen. Am Mittwoch ordnete ein Richter dann erneut U-Haft an. Zur Begründung hieß es, es gebe handfeste Beweise, dass Kavala am Entscheidungsprozess des Putschversuchs von 2016 beteiligt gewesen sei.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte schon im Dezember Kavalas Freilassung angeordnet; die Türkei war dem aber nicht nachgekommen. Die erneute Inhaftierung löste große Empörung aus.

Die Gezi-Proteste vom Sommer 2013 hatten sich zunächst gegen die Bebauung des Gezi-Parks im Zentrum von Istanbul gerichtet. Die Aktion weitete sich zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Erdogan aus. Der ließ die Proteste brutal niederschlagen.