Stockholm/Nairobi/Johannesburg. Kaum jemand steht weltweit so stark im medialen Fokus wie Greta Thunberg. Das nutzt die junge Schwedin nun, um auf die aufmerksam zu machen, denen diese Beachtung fehlt - und deren Kontinent von den Folgen des Klimawandels am stärksten betroffen sein wird.

Stockholm/Nairobi/Johannesburg (dpa) - Als eine US-Nachrichtenagentur kürzlich ein Foto von Greta Thunberg, Luisa Neubauer und weiteren Klimaaktivistinnen aus Davos veröffentlichte, war eine afrikanische Mitstreiterin aus dem Bild geschnitten worden.

Thunberg und Co. betrachteten das als weiteren Beweis dafür, dass Afrika von der Welt ignoriert werde. Afrika, der vergessene Kontinent? Das will Thunberg im Kampf gegen die Klimakrise nun ändern.

"Uns ist aufgefallen, dass es ein riesiges Medieninteresse gibt, wo immer wir auch auftreten", sagte die 17-jährige Schwedin am Freitag bei einer Pressekonferenz in Stockholm. Sie wolle diese Gelegenheit nutzen, um dafür zu sorgen, dass die Stimmen gehört werden, deren Geschichten unbedingt gehört werden sollten. "Über die afrikanische Perspektive wird immer zu wenig berichtet."

Per Videolink waren bei der Pressekonferenz junge Aktivistinnen aus Afrika zugeschaltet: Ayakha Melithafa aus Südafrika war ebenso dabei wie Makenna Muigai aus Kenia sowie die südafrikanische Klimaforscherin Ndoni Mcunu. Und noch eine diskutierte mit den Pressevertretern über die Lage im Kampf gegen den Klimawandel: Vanessa Nakate aus Uganda - jene 23-Jährige, die beim Weltwirtschaftsforum in Davos aus dem Bild geschnitten worden war.

"Jetzt ist es an der Zeit, dass die Welt den Aktivisten aus Afrika zuhört und ihren Geschichten Aufmerksamkeit schenkt und tätig wird", sagte Nakate. Auch auf den Vorfall mit dem bearbeiteten Bild ging sie ein. "Das war ein frustrierender Moment", sagte sie. "Ich hatte das Gefühl, man hört mir nicht zu - nicht nur mir, sondern dem Rest der Aktivisten in Afrika und im globalen Süden."

Ihr Frust ist durchaus berechtigt. Die Folgen des Klimawandels werden nach Angaben des UN-Umweltprogramms UNEP keinen Kontinent so stark treffen wie Afrika. Denn die Wetterextreme wie Dürren und Zyklone, die ohnehin vorkommen, werden durch die steigenden Temperaturen noch verstärkt. Außerdem wird der Anstieg der Temperaturen in Afrika nach UN-Angaben höher sein als der globale Mittelwert. Erschwerend hinzu kommt, dass die Länder meist nicht die Ressourcen und Kapazitäten haben, um damit ausreichend umzugehen.

Und das alles, obwohl der Beitrag Afrikas zum globalen CO2-Ausstoß extrem gering ist: Laut Weltbank liegt der Pro-Kopf-Ausstoß in Afrika südlich der Sahara bei gerade einmal 0,8 Tonnen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es demnach 8,8 Tonnen, in den USA gar 16,5.

Dem geringen Beitrag zum menschengemachten Klimawandel stehen in Afrika Probleme gegenüber, die sich mit dem sich verändernden Klima weiter verschlimmern könnten: Ostafrika etwa hat in den vergangenen Monaten extrem viel Regen erlebt - in manchen Gebieten war es der höchste Niederschlag seit Beginn der Aufzeichnungen. In der Region waren nach UN-Angaben 3,4 Millionen Menschen von den Überschwemmungen betroffen.

Das südliche Afrika hingegen - laut den UN an der "vordersten Front der globalen Klimakrise" - hat zuletzt eine schwere Dürre durchlebt. Die bei Touristen beliebte Metropole Kapstadt stand monatelang knapp vor dem Wasser-Aus. Mosambik sowie Malawi und Simbabwe wurden im vergangenen Jahr vom wahrscheinlich schlimmsten Zyklon der südlichen Hemisphäre heimgesucht, dem tropischen Wirbelsturm "Idai".

"Die dringendste Gefahr ist die Nahrungsmittelunsicherheit", warnte Klimaforscherin Mcunu am Freitag. Denn die Länder Afrikas sind stark von der Landwirtschaft abhängig, ein Großteil der Bevölkerungen sind Kleinbauern oder Viehhirten. "Sobald ein extremes Wetterereignis passiert, erleben wir Nahrungsmittelunsicherheit." Von einer solchen starken Unsicherheit sind in Ostafrika fast 25,5 Millionen Menschen betroffen, im südlichen Afrika sind es rund 12,2 Millionen Menschen.

Die Aktivistinnen kritisierten scharf, dass die Klimakrise in Afrika nicht genug Aufmerksamkeit bekomme - von Staats- und Regierungschefs weltweit sowie auch von den internationalen Medien. Dies sei eine der größten Hürden im Kampf gegen den Klimawandel, sagte die Kenianerin Muigai. "Ich rufe afrikanische Führer und globale Führer dazu auf, daran zu denken, dass wir am Ende alle vom Klimawandel betroffen sind. Keiner sollte zurückgelassen werden."

Nakate, in deren ugandischer Heimat vom 20. bis 24. April eine Afrika-Klima-Woche stattfinden soll, wies auf die zeitliche Dringlichkeit hin. "Wenn 2019 das Jahr war, in dem das Bewusstsein (für die Klimakrise) geschaffen wurde, dann lasst uns 2020 zum Jahr des Handelns machen."