Tel Aviv. Sind Schüsse auf einen hilflosen Attentäter auch Totschlag? Ein viel beachteter Prozess hat diese Frage in Israel nun beantwortet.

  • Ein israelischer Soldat ist wegen Totschlags schuldig gesprochen worden
  • Er hatte einen wehrlosen palästinensischen Attentäter getötet
  • Der Fall war in Israel kontrovers diskutiert worden

Der israelische Soldat Elor A. ist wegen Totschlags verurteilt worden, wie ein Militärgericht in Tel Aviv mitteilte. Der Soldat hatte im März 2016 einen am Boden liegenden verletzten palästinensischen Attentäter mit einem Kopfschuss getötet.

Der Todesschuss war von einem palästinensischen Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Betselem gefilmt worden. Er sorgte in Israel für eine heftige Kontroverse. Die Verkündung des Strafmaßes wird innerhalb eines Monats erwartet. A. drohen bis zu 20 Jahre Haft.

Verteidigung argumentierte mit Selbstverteidigung

Vor dem Militärhauptquartier protestierten am Mittwoch mehrere 100 Menschen laut Polizei teilweise aggressiv für eine Freilassung des Soldaten. Demonstranten blockierten kurzzeitig die Straße. Die Polizei nahm zwei Personen fest. Ultrarechte Politiker wollen sich für eine Begnadigung einsetzen.

Ein Demonstrant protestiert setzte sich am Mittwoch für die Freilassung des Soldaten ein.
Ein Demonstrant protestiert setzte sich am Mittwoch für die Freilassung des Soldaten ein. © dpa | Sara Lemel

Der damals 18-jährige Sanitätssoldat A. hatte im März des vergangenen Jahres in Hebron einem am Boden liegenden Attentäter in den Kopf geschossen. Die Anklage hatte sich für eine Haftstrafe ausgesprochen. A.s Anwalt erklärte hingegen, sein Mandant habe in Selbstverteidigung gehandelt.

Angreifer hatte anderen Soldaten mit Messer verletzt

A. sagte im Prozess aus, er habe befürchtet, dass der Palästinenser noch einen Sprengstoffgürtel unter seinem Mantel trage. Der Attentäter hatte zuvor einen anderen Soldaten mit einem Messer verletzt.

Die Vorsitzende Richterin Maja Heller lehnte allerdings die entscheidenden Argumente der Verteidigung als unglaubwürdig ab. Sie bezeichnete A.s Aussage als „sich immer wieder verändernd und ausweichend“. Der Schuss aus seiner Waffe sei tödlich gewesen für den Palästinenser. Der Mann sei „unnötigerweise“ erschossen worden.

Menschenrechtler kritisieren Israels Armee

Die Verteidigung hatte auch argumentiert, dass der Angreifer schon vor dem Kopfschuss tot gewesen sei. Die Anklage hatte hingegen erklärt, A. habe aus Rache für seinen verletzten Kameraden gehandelt.

Menschenrechtler werfen Israels Armee immer wieder vor, übertriebene Gewalt gegen Palästinenser einzusetzen. Seit Beginn einer Anschlagswelle vor mehr als einem Jahr sind 37 Israelis getötet worden, mehr als 250 Palästinenser kamen ums Leben - die meisten bei ihren eigenen Anschlägen. Die Armee betont, die Soldaten hätten strikte Anweisung, nur dann zu schießen, wenn ihr Leben in Gefahr sei. (dpa)