Paris. Die frühere Wirtschaftsministerin Lagarde steht wegen ihrer Rolle in einer Affäre vor Gericht. Der Prozess ist Frankreich peinlich.

Christine Lagarde, die gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den mächtigsten Frauen der Welt zählt, muss zittern. Die hoch angesehene Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) sitzt seit Montag auf der Anklagebank eines Pariser Sondergerichtshofs. Der 60-Jährigen wird vorgeworfen, sich während ihrer Amtszeit als französische Wirtschaftsministerin der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gemacht zu haben. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu einem Jahr Gefängnis und 15.000 Euro Strafe.

Geschäftsmann Tapie erhielt 404 Millionen Euro

Der Fall, um den es geht, die sogenannte Tapie-Affäre, hält Frankreich bereits seit den 90er-Jahren in Atem. Der schillernde Unternehmer und Ex-Politiker Bernard Tapie wirft seiner früheren Hausbank Crédit Lyonnais vor, ihn um rund eine Milliarde Euro geprellt zu haben, als er sie 1992 nach seiner Ernennung zum Städtebauminister mit dem Verkauf des deutschen Sportartikelherstellers Adidas beauftragte.

Tapie strengte damals eine Klage gegen das staatliche Geldhaus an. Als das Finanzinstitut später Bankrott machte, richtete er seine Ansprüche direkt an den Staat. Dabei, so mutmaßen die Ermittler, brachte der Geschäftsmann auch seine guten Beziehungen zu Staatspräsident Nicolas Sarkozy ins Spiel. Jedenfalls landete das heikle Dossier auf dem Schreibtisch der Wirtschaftsministerin Lagarde, die die Einsetzung eines Schiedsgerichts anordnete. Dessen Spruch, der Tapie eine Entschädigungszahlung von 404 Millionen Euro zugestand, sorgte dann für gewaltige Empörung.

Welche Rolle spielte Ex-Präsident Sarkozy?

Lagarde aber verzichtet trotz aller Kritik darauf, Einspruch einzulegen. Es war ein Berufungsgericht, welches die Entscheidung am Ende wegen „offensichtlicher Unregelmäßigkeiten“ einkassierte und anordnete, dass Tapie die Entschädigung zurückzuzahlen habe. Gleichzeitig leitete die Justiz Ermittlungen ein. Ihr Verdacht: Dem Geschäftsmann könnte eine Sonderbehandlung zuteilgeworden sein, weil er Ex-Präsident Sarkozy 2007 im Wahlkampf unterstützt hatte.

Konkret wird Lagarde nun vorgeworfen, das Schiedsgericht eingesetzt zu haben, obwohl es zahlreiche Warnungen staatlicher Instanzen gab. Ebenso wenig mochte sie später den Rat von Experten befolgen, Widerspruch gegen dessen Urteil einzulegen. In den Augen des Gerichtshofs der Republik, der als Einziger über Verfehlungen von Regierungsmitgliedern während ihrer Amtszeit urteilen kann, soll sie damit der Veruntreuung öffentlicher Gelder Vorschub geleistet haben. Eine Meinung, die von dem zuständigen Staatsanwalt nicht geteilt wird. Er hatte die Einstellung des Verfahrens empfohlen.

IWF steht hinter Lagarde als Chefin

Die IWF-Chefin ihrerseits hat stets beteuert, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, um eine noch größere Schädigung der Staatskasse zu vermeiden. Auch bestreite sie, auf Anweisung von Ex-Präsident Sarkozy gehandelt zu haben. „Ich bin zuversichtlich und entschlossen“, erklärte die elegante Französin vor dem Prozessauftakt und fügte hinzu: „Bestenfalls könnte man mir Fahrlässigkeit vorwerfen, doch das ist ein Delikt ohne Vorsatz. Ich denke, wir sind alle irgendwo in unserem Leben etwas fahrlässig. Ich habe versucht, meine ganze Arbeit zu machen, so gut wie möglich, in den Grenzen dessen was ich wusste.“

Lagarde hat für die Verhandlungen, die bis zum 20. Dezember dauern sollen, Urlaub nehmen müssen. Sie konnte das in dem Bewusstsein tun, dass der IWF nach wie vor hinter ihr steht. Dessen Exekutivausschuss hat erst im Sommer das Mandat seiner Chefin für weitere fünf Jahre verlängert und ihr vergangenen Donnerstag erneut ausdrücklich sein Vertrauen ausgesprochen.

Schiedsgerichtes hatte Lagarde nicht bestimmt

Tatsächlich gilt eine Verurteilung Lagardes inzwischen als eher unwahrscheinlich. Einerseits, weil das Pariser Wirtschaftsministerium bereits vor ihrem Amtsantritt die Einsetzung eines Schiedsgerichts vorbereitet hatte. Anderseits unterhielt die IWF-Chefin keinerlei persönliche Beziehungen zu den Protagonisten der Tapie-Affäre. Vor allem aber hat sie nicht die drei Richter des Schiedsgerichts bestimmt. Denn wie sich inzwischen herausstellte, war einer von ihnen eng mit dem Anwalt Tapies befreundet.

Ohnehin wünscht in Paris niemand mehr diesen peinlichen Prozess. Es war die Linksopposition, die 2011 Aufklärung verlangte und den Gerichtshof der Republik einschaltete, der von drei Berufsrichtern und zwölf Abgeordneten, also Politikern, gebildet wird. Dabei hatte das linke Lager nicht Lagarde im Visier, sondern den ein Jahr später zur Wiederwahl anstehenden Präsidenten Nicolas Sarkozy. Jetzt jedoch, wo Sarkozy selbst aus dem Rennen um die kommenden Präsidentschaftswahlen ausgeschieden ist, fürchtet man vor allem den Prestigeverlust für Frankreich sowie eine Destabilisierung der Weltwirtschaft, die eine Verurteilung Lagardes nach sich zu ziehen droht.