Berlin. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte vor dem Wahlausgang gewarnt. Nun fordert er eine größere Rolle der Europäer in der Welt.

Vor diesem Wahlausgang in den USA hatte Martin Schulz gewarnt. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Sieges von Donald Trump skizzierte der EU-Parlamentspräsident im Interview mit unserer Redaktion, wie Europa mit dem Schock-Ergebnis umgehen soll.

Herr Schulz, wird mit der Wahl von Donald Trump ein Albtraum wahr?

Martin Schulz: Donald Trump ist in einer demokratischen Wahl zum Präsidenten gewählt worden und deshalb wird er in den kommenden Jahren unser Ansprechpartner sein. Auch wenn ich mir persönlich ein anderes Ergebnis gewünscht hätte, ist diese Wahl selbstverständlich zu respektieren und wir müssen nun schauen, wie wir daraus das Beste machen. Viele Wahlen und Abstimmungen in den vergangenen Jahren haben gezeigt: Es gibt eine große Verunsicherung und einen tiefen Graben zwischen Stadt und Land, zwischen Jung und Alt und zwischen denen, die die Globalisierung und den technologischen Wandel als Chance begreifen und denen, die sich davor fürchten oder die sich abgehängt und vernachlässigt fühlen. Darauf müssen wir reagieren.

Auf welches Amerika muss sich Europa nun einstellen?

Schulz: Die USA sind schon unter Barack Obama pazifischer geworden – das heißt, dass sich Washingtons Blick weniger nach Europa richtet. Mit Donald Trump wird die Zusammenarbeit jetzt sicher schwieriger, aber es ist ja nicht ausgeschlossen, dass er noch eine Lernkurve absolviert. So etwas hat es ja in der Vergangenheit auch gegeben, denken sie an Ronald Reagan, dessen Wahl international auch mit vielen Befürchtungen und Sorgen verbunden war. Für uns in Europa heißt das, dass wir aus der Lethargie herauskommen müssen, um handlungsfähiger zu werden. Europa wird mehr Verantwortung übernehmen müssen. Ein einiges Europa ist wichtiger denn je.

Europa befindet sich in einem beklagenswerten Zustand ...

Schulz: Die Brexit-Abstimmung und das Votum der Niederländer zur Ukraine haben in der Tat gezeigt, dass auch in Europa gerade die Scharfmacher und Vereinfacher Hochkonjunktur haben. Mir geht es aber darum, jetzt die Gräben zu überwinden. Denn jeder weiß doch, dass wir weder die Flüchtlingskrise noch die Terrorismusbekämpfung oder irgendeinen internationalen Konflikt ohne einen gemeinsamen europäischen Ansatz lösen können. Und im Inneren bedeutet das, mehr bei der Lebenswirklichkeit der Leute anzusetzen und uns um sichere Jobs, gute Schulen und Kitas, um die ärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten oder um Renten zu kümmern, die Altersarmut vermeiden und gleichzeitig Generationengerechtigkeit gewährleisten. Wir haben einiges an Arbeit vor uns.

Welchen Kurs empfehlen Sie Deutschland als europäischer Führungsnation?

Schulz: Natürlich kommt es sehr darauf an, dass Deutschland zusammen mit Frankreich weiterhin Impulsgeber in Europa bleibt. Wichtig ist dabei, die Interessen auch und gerade der kleineren Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Je schärfer die internationalen Herausforderungen sichtbar werden, umso klarer wird es doch, dass nun die Stunde Europas da ist. Europa muss der Kontinent der Stabilität sein, der auch Sicherheit exportiert. Europa muss dem neoliberalen Globalisierungsmodell die soziale Marktwirtschaft entgegensetzen. Und Europa muss zeigen, dass eine solidarische Gesellschaft stärker ist als eine, in der Gräben aufgerissen werden und Hass und Missgunst regieren.