Washington . In E-Mails von US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton wollen politische Gegner Beweise für Vetternwirtschaft gefunden haben.

Der erwiesenermaßen leichtsinnige Umgang mit E-Mails in ihrer Amtszeit als Außenministerin verfolgt Hillary Clinton seit mehr als einem Jahr. Er hat die Glaubwürdigkeit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin in der US-Bevölkerung ungeachtet des rasanten Sinkflugs ihres republikanischen Rivalen Donald Trump massiv beschädigt. Knapp 75 Tage vor der Wahl destillieren ihre politischen Gegner aus den öffentlich gewordenen digitalen Depeschen einen Verdacht, der noch schwerer wiegt: Vetternwirtschaft zugunsten von Geldgebern, die vorher an eine 2001 von Ehemann Bill Clinton gegründete und inzwischen milliardenschwere Wohltätigkeitsstiftung gespendet hatten.

Mal ging es darum, einem britischen Fußballspieler mit dubioser Vergangenheit bei einem Visum zu helfen. Mal gelüstete es einem bahrainischen Kronprinzen nach einem Vieraugen­gespräch mit „Madame Secretary“. Mal war es der U2-Rocker Bono, der bei Konzerten eine Liveschaltung zur Internationalen Raumstation ISS gelegt haben wollte.

In allen drei Fällen, die durch eine neue Welle von E-Mails bekannt geworden sind, die auf richterliche Anordnung öffentlich wurden, wandten sich die Bittsteller diskret über den Umweg der Clinton-Stiftung an die engste Beraterin von Hillary Clinton: Huma Abedin. Mal zeigte sich die von Clinton oft als „zweite Tochter“ beschriebene Diplomatin zögernd, mal entschlossen, um für die Erfüllung der Wünsche zu sorgen. Oder für deren Aufschiebung.

Private und staatliche Geschäfte miteinander vermengt?

Für Tom Fitton, Präsident der rechtskonservativen Lobby-Organisation „Judicial Watch“, die den Clintons seit mehr als 20 Jahren auf den Fersen ist, ergeben die E-Mails ein klares Bild: „Die Clintons haben private und staatliche Geschäfte miteinander vermengt.“ Der stramme Republikaner spielt damit Donald Trump in die Hände. Der in Umfragen stark zurückgefallene republikanische Präsidentschaftskandidat verlangt die sofortige Schließung der Stiftung. Es handele sich um ein „korruptes Unternehmen“, sagte er.

Trumps Kritiker halten dem entgegen, dass Stiftungsspender zwar leichteren Zugang zu Clinton hatten; etwa im Fall des libanesisch-nigerianischen Milliardärs Gilbert Chagoury. Von „speziellen Gefallen“ könne aber nicht die Rede sein. Indizien: Weder das Fußballer-Visum noch die Leitung ins All für Rock-Röhre Bono seien zustande gekommen. Dass solche Fakten in der aufgepeitschten amerikanischen Öffentlichkeit nur bedingt verfangen werden, hat sich Clinton nach Ansicht von US-Kommentatoren selbst zuzuschreiben.

Hillary Clinton will Präsidentin werden

Die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton will die erste Präsidentin der USA werden. Die Demokraten kürten sie beim Parteitag zu ihrer Kandidatin für die Wahl am 8. November.
Die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton will die erste Präsidentin der USA werden. Die Demokraten kürten sie beim Parteitag zu ihrer Kandidatin für die Wahl am 8. November. © dpa | Craig Lassig
Während die 68-Jährige zunächst lange als praktisch gesetzt galt für die Nominierung der Demokraten, setzte ihr dann monatelang Konkurrent Bernie Sanders in Umfragen und Vorwahlen zu.
Während die 68-Jährige zunächst lange als praktisch gesetzt galt für die Nominierung der Demokraten, setzte ihr dann monatelang Konkurrent Bernie Sanders in Umfragen und Vorwahlen zu. © dpa | Michael Reynolds
Als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft präsentierte Clinton Ende Juli den Senator Tim Kaine.
Als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft präsentierte Clinton Ende Juli den Senator Tim Kaine. © dpa | Rhona Wise
Es ist das zweite Mal, dass Hillary Clinton versucht, US-Präsidentin zu werden. 2008 hatte sich die ehemalige First Lady (hier mit Ehemann und Ex-Präsident Bill Clinton und der gemeinsamen Tochter Chelsea) bereits um die Nominierung der Demokratischen Partei zur Präsidentschaftskandidatin beworben – und gegen Barack Obama verloren.
Es ist das zweite Mal, dass Hillary Clinton versucht, US-Präsidentin zu werden. 2008 hatte sich die ehemalige First Lady (hier mit Ehemann und Ex-Präsident Bill Clinton und der gemeinsamen Tochter Chelsea) bereits um die Nominierung der Demokratischen Partei zur Präsidentschaftskandidatin beworben – und gegen Barack Obama verloren. © REUTERS | ADREES LATIF
Politik macht Hillary Clinton, die am 26. Oktober 1947 in Chicago als Hillary Diane Rodham geboren wurde, seit mehr als 40 Jahren. Während ihres Jura-Studiums an der Elite-Uni Yale – dort lernte sie Bill Clinton kennen – unterstützte sie 1972 den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, George McGovern.
Politik macht Hillary Clinton, die am 26. Oktober 1947 in Chicago als Hillary Diane Rodham geboren wurde, seit mehr als 40 Jahren. Während ihres Jura-Studiums an der Elite-Uni Yale – dort lernte sie Bill Clinton kennen – unterstützte sie 1972 den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, George McGovern. © REUTERS | SCOTT MORGAN
1974 arbeitete Hillary Rodham im Parlamentskomitee zur Absetzung des Republikanischen US-Präsidenten Richard Nixon und lehrte an der Universität von Arkansas.
1974 arbeitete Hillary Rodham im Parlamentskomitee zur Absetzung des Republikanischen US-Präsidenten Richard Nixon und lehrte an der Universität von Arkansas. © REUTERS | JIM BOURG
Bill und Hillary Clinton heirateten 1975, Hillary arbeitete als Anwältin. Von 1979 bis 1981 und von 1983 bis 1993 war Bill Clinton Gouverneur des US-Bundesstaates Arkansas: In dieser Zeit setzte sich Hillary Clinton, die 1980 Tochter Chelsea zur Welt brachte, für Kinder- und Familienrechte ein.
Bill und Hillary Clinton heirateten 1975, Hillary arbeitete als Anwältin. Von 1979 bis 1981 und von 1983 bis 1993 war Bill Clinton Gouverneur des US-Bundesstaates Arkansas: In dieser Zeit setzte sich Hillary Clinton, die 1980 Tochter Chelsea zur Welt brachte, für Kinder- und Familienrechte ein. © REUTERS | BRIAN SNYDER
Durch ihre acht Jahre als First Lady (1993-2001) kennt Clinton das Weiße Haus aus nächster Nähe. Einige Beobachter sind überzeugt, dass ihr Mann Bill es ohne sie nie ins ranghöchste Amt der USA geschafft hätte. Die eigenwillige Karriere-Anwältin beeindruckte mit ihrem selbstbewussten Stil, der politisch aber nicht immer geschickt daherkam. Sie entwickelte eine eigene Stimme und arbeitete während Bill Clintons erster Amtszeit an einer Gesundheitsreform. Einen Tiefpunkt markierte seine Sex-Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky – doch Hillary hielt zu ihm.
Durch ihre acht Jahre als First Lady (1993-2001) kennt Clinton das Weiße Haus aus nächster Nähe. Einige Beobachter sind überzeugt, dass ihr Mann Bill es ohne sie nie ins ranghöchste Amt der USA geschafft hätte. Die eigenwillige Karriere-Anwältin beeindruckte mit ihrem selbstbewussten Stil, der politisch aber nicht immer geschickt daherkam. Sie entwickelte eine eigene Stimme und arbeitete während Bill Clintons erster Amtszeit an einer Gesundheitsreform. Einen Tiefpunkt markierte seine Sex-Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky – doch Hillary hielt zu ihm. © REUTERS | RICK WILKING
Im Buch „It Takes a Village“ beschrieb Hillary Clinton 1996 ihre Vision einer kinderfreundlichen Gesellschaft. In der 2003 erschienenen Autobiografie „Living History“ spielt auch Bill Clintons Affäre eine Rolle.
Im Buch „It Takes a Village“ beschrieb Hillary Clinton 1996 ihre Vision einer kinderfreundlichen Gesellschaft. In der 2003 erschienenen Autobiografie „Living History“ spielt auch Bill Clintons Affäre eine Rolle. © dpa | Larry W. Smith
2000 wurde Hillary Clinton zum ersten Mal in ein Amt gewählt: Für den Bundesstaat New York saß sie im US-Senat. 2006 schaffte die Senatorin Clinton die Wiederwahl.
2000 wurde Hillary Clinton zum ersten Mal in ein Amt gewählt: Für den Bundesstaat New York saß sie im US-Senat. 2006 schaffte die Senatorin Clinton die Wiederwahl. © REUTERS | RICK WILKING
Eisenharter Ehrgeiz, ein bisweilen verbissener Arbeitseifer und ein wenig Arroganz: Hillary Rodham Clinton gilt als eine der „härtesten“ Frauen in der amerikanischen Spitzenpolitik.
Eisenharter Ehrgeiz, ein bisweilen verbissener Arbeitseifer und ein wenig Arroganz: Hillary Rodham Clinton gilt als eine der „härtesten“ Frauen in der amerikanischen Spitzenpolitik. © REUTERS | JASON MICZEK
Clintons Kampfgeist zeigte sich auch daran, dass sie nach dem Auszug aus dem Weißen Haus und der bitteren Niederlage im Vorwahlkampf 2008 gegen den späteren Präsidenten Barack Obama nicht aufgab. Verlieren gehört nicht zu den Stärken Clintons. Als Obamas Außenministerin (2009-2013) bereiste sie dann 112 Länder und soll als Chefdiplomatin über eine Million Kilometer zurückgelegt haben.
Clintons Kampfgeist zeigte sich auch daran, dass sie nach dem Auszug aus dem Weißen Haus und der bitteren Niederlage im Vorwahlkampf 2008 gegen den späteren Präsidenten Barack Obama nicht aufgab. Verlieren gehört nicht zu den Stärken Clintons. Als Obamas Außenministerin (2009-2013) bereiste sie dann 112 Länder und soll als Chefdiplomatin über eine Million Kilometer zurückgelegt haben. © dpa | John Taggart
Die Sicherheitsmängel beim Konsulat im libyschen Bengasi, wo vier US-Diplomaten bei einer Terrorattacke getötet wurden, nagten an ihrer Amtszeit. Doch auch diese bis heute aufflackernden Vorwürfe haben sie nicht davon abgehalten, noch einen Anlauf an die Spitze zu wagen.
Die Sicherheitsmängel beim Konsulat im libyschen Bengasi, wo vier US-Diplomaten bei einer Terrorattacke getötet wurden, nagten an ihrer Amtszeit. Doch auch diese bis heute aufflackernden Vorwürfe haben sie nicht davon abgehalten, noch einen Anlauf an die Spitze zu wagen. © REUTERS | JIM BOURG
Die Ex-Außenministerin präsentiert sich gerne als die Bewerberin, die das fortführen will, was Barack Obama begonnen hat – etwa bei der umstrittenen Gesundheitsversorgung. Sie will das System, das als „Obamacare“ bekannt ist und geschaffen wurde, um Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung die Möglichkeit einer Absicherung zu bieten, beibehalten.
Die Ex-Außenministerin präsentiert sich gerne als die Bewerberin, die das fortführen will, was Barack Obama begonnen hat – etwa bei der umstrittenen Gesundheitsversorgung. Sie will das System, das als „Obamacare“ bekannt ist und geschaffen wurde, um Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung die Möglichkeit einer Absicherung zu bieten, beibehalten. © REUTERS | JIM BOURG
Nach Clintons Ansicht sollten die größten Finanzinstitute künftig eine Risikogebühr zahlen. Den Hochfrequenzhandel, also den automatisierten Kauf und Verkauf von Wertpapieren in Sekundenbruchteilen, will sie besteuern.
Nach Clintons Ansicht sollten die größten Finanzinstitute künftig eine Risikogebühr zahlen. Den Hochfrequenzhandel, also den automatisierten Kauf und Verkauf von Wertpapieren in Sekundenbruchteilen, will sie besteuern. © dpa | Larry W. Smith
Den US-Bundesstaaten will Clinton Zuschüsse in Milliardenhöhe gewähren, damit diese in höhere Bildung investieren. Die Zinssätze auf Studiendarlehen müssten gesenkt werden, erklärte sie.
Den US-Bundesstaaten will Clinton Zuschüsse in Milliardenhöhe gewähren, damit diese in höhere Bildung investieren. Die Zinssätze auf Studiendarlehen müssten gesenkt werden, erklärte sie. © REUTERS | BRIAN SNYDER
Thema Abtreibung: Die Entscheidung darüber sollen die Frauen haben. Der Organisation Planned Parenthood, die in rund 700 Kliniken Schwangere betreut und auch Abtreibungen durchführt, dürften die öffentlichen Mittel nicht gestrichen werden, erklärte Clinton.
Thema Abtreibung: Die Entscheidung darüber sollen die Frauen haben. Der Organisation Planned Parenthood, die in rund 700 Kliniken Schwangere betreut und auch Abtreibungen durchführt, dürften die öffentlichen Mittel nicht gestrichen werden, erklärte Clinton. © REUTERS | ADREES LATIF
Thema Einwanderung: Die rund elf Millionen illegalen Einwanderer in den USA sollten die Möglichkeit bekommen, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erhalten („Path to Citizenship“).
Thema Einwanderung: Die rund elf Millionen illegalen Einwanderer in den USA sollten die Möglichkeit bekommen, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erhalten („Path to Citizenship“). © REUTERS | RICK WILKING
Thema Militär: Die USA müssten weiterhin das stärkste und am besten ausgerüstete Militär in der Welt haben, fordert Clinton. Sie ist für eine Flugverbotszone in Syrien und hat deutlich gemacht, dass sie „russischen Aggressionen“ in Europa entgegen treten will. Präsident Wladimir Putin müsse die Stirn geboten werden.
Thema Militär: Die USA müssten weiterhin das stärkste und am besten ausgerüstete Militär in der Welt haben, fordert Clinton. Sie ist für eine Flugverbotszone in Syrien und hat deutlich gemacht, dass sie „russischen Aggressionen“ in Europa entgegen treten will. Präsident Wladimir Putin müsse die Stirn geboten werden. © dpa | Cj Gunther
Kampf gegen den Terror: Die frühere Außenministerin ist dafür, dass die USA in der Anti-IS-Koalition weiter eine führende Rolle innehaben.
Kampf gegen den Terror: Die frühere Außenministerin ist dafür, dass die USA in der Anti-IS-Koalition weiter eine führende Rolle innehaben. © REUTERS | JIM YOUNG
Thema Waffen: Clinton ist dafür, dass die behördliche Durchleuchtung der Käufer und Verkäufer von Waffen ausgeweitet wird. Der Kauf einer Waffe solle ohne einen vollständigen „Background Check“ nicht mehr möglich sein.
Thema Waffen: Clinton ist dafür, dass die behördliche Durchleuchtung der Käufer und Verkäufer von Waffen ausgeweitet wird. Der Kauf einer Waffe solle ohne einen vollständigen „Background Check“ nicht mehr möglich sein. © dpa | Larry W. Smith
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E-Mails über einen Server im Privathaus

Während ihrer Zeit als Außenministerin unter Obama zwischen 2009 und 2013 hatte Clinton gegen alle Gepflogenheiten ihren E-Mail-Verkehr über einen Server schicken lassen, der in ihrem Privathaus bei New York installiert war. Die Bundespolizei FBI ermittelte monatelang, ob Clinton dabei die nationale Sicherheit Amerikas gefährdet habe.

Ausländische Computerhacker hätten an brisante Nachrichten kommen können. 30.000 digitale Botschaften ließ Clinton vorab löschen. Dabei soll es sich um Korrespondenzen privater Natur gehandelt haben. 50.000 Datensätze wurden von ihren Anwälten an die Behörden übergeben. Vor Wochen wurden die Ermittlungen beendet. FBI-Chef James Comey, ein Republikaner, erkannte kein strafwürdiges Handeln. Er bescheinigte Clinton aber, dass ihr Verhalten von „besorgniserregender Leichtsinnigkeit“ geprägt war.

Bill Clinton kündigt Rückzug von Stiftung an

Zwei Monate vor dem Urnengang ist die Gefahr deshalb für Clinton noch lange nicht gebannt. Gerade sind weitere 15.000 E-Mails Hillary Clintons aufgetaucht, über deren Veröffentlichung die Richter bis Ende September entscheiden werden. Dort könnten neue Tretminen versteckt sein, die den Eindruck verstärken, dass Hillary Clinton es in ihrer Zeit als Chefdiplomatin an der Trennschärfe zu den karitativen Geschäften ihres Mannes hat vermissen lassen. Kritiker werfen den Clintons vor, dass die Stiftung vor, während und nach Hillarys Wirken im Außenministerium Millionenbeträge aus Ländern angenommen hat, die wegen ihrer Haltung in Menschenrechtsfragen in den USA auf dem Index stehen: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Kuwait, Oman und Brunei.

Vorwürfe der Interessenkollision hatte das Ehepaar bisher stets empört zurückweisen lassen. Jetzt wurde dagegen ein Schreiben Bill Clintons öffentlich, das laut US-Medien als „ungewöhnliche Form der politischen Prophylaxe“ gewertet wird. Darin kündigte der potenzielle „First Gatte“ an, dass er im Falle eines Wahlsieges seiner Frau aus dem Führungszirkel der Stiftung ausscheiden wird. Außerdem würden ab dann nur noch Spenden von US-Unternehmen oder US-Bürgern angenommen werden – nicht aber mehr aus dem Ausland.