Peking/Den Haag. China will sich nicht an den Spruch des Schiedsgerichts in Den Haag halten – und bekräftigt seine Ansprüche im Südchinesischen Meer.

Die Reaktion des Pekinger Außenministeriums ließ nicht lange auf sich warten. China werde die Entscheidung des Haager Schiedshofes weder „akzeptieren noch anerkennen“. Die Richter hatten am Dienstag im Streit um das Südchinesische Meer knallhart gegen die Pekinger Machthaber entschieden. Ein Urteil mit Brisanz. Denn: In der Meeresregion stehen sich die USA und China mit ihrem Militär gefährlich nahe gegenüber. Es geht um Einflusszonen und nicht zuletzt um den Zugriff auf Bodenschätze.

Für die Haager Richter gab es keine Zweifel: China verstößt gegen internationales Seerecht. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es keine rechtliche Grundlage dafür gibt, „dass China historische Rechte in den Seegebieten beansprucht, die innerhalb der Neun-Stiche-Linie fallen“, urteilten die fünf internationalen Schiedsrichter. Die Chinesen hätten sich zudem in die philippinische Fischerei und Ölförderung eingemischt, künstliche Inseln errichtet und ihre eigenen Fischer nicht am Fischfang in dem Gebiet gehindert. Mit seinen Bauarbeiten und Aufschüttungen hätten sie zudem dem Ökosystem vor den Küsten der Philippinen irreparable Schäden zugefügt. China habe „die Souveränitätsrechte der Philippinen in deren exklusiver Wirtschaftszone verletzt“.

China beruft sich auf Karten aus den 1940er Jahren

Die chinesische Führung beansprucht quasi das gesamte Südchinesische Meer, das mit einer Fläche von über drei Millionen Quadratkilometer bis an die Küsten Vietnams, Indonesiens, der Philippinen und Malaysias reicht. China führt seinen Rechtsanspruch auf Karten zurück, die bis in das 15. Jahrhundert reichen. Schon in den 40er-Jahren hatte die damalige chinesische Regierung neun Striche in ihre Karten gezeichnet, die diese Grenzen markieren sollen. Doch unter Mao sah sich die verarmte Volksrepublik nicht in der Lage, diese Ansprüche geltend zu machen. Erst im Zuge des wirtschaftlichen und militärischen Aufstiegs fühlt sich China stark genug, das riesige Territorium militärisch abzustecken. Satellitenaufnahmen der US-Denkfabrik Centre for Strategic and International Studies zeigen, wie Dutzende mit Baggern beladene Frachter unermüdlich Sand und Schutt auf Korallenriffe rund um die Spratly genannte Region unweit der philippinischen Küste kippen und damit neue Inseln schaffen. US-Flottenadmiral Harry Harris sprach von einer regelrechten „Großen Mauer“, die im Südchinesischen Meer errichtet werde.

Das verärgerte nicht nur die Philippinen. Auch Vietnam, Malaysia, Brunei, ja sogar das von China aus mehrere Tausend Kilometer entfernte Indonesien protestieren gegen Pekings Territorialpolitik. Die Philippinen wandten sich unter dem damaligen Präsidenten Benigno Aquino an den Gerichtshof und reichten ein Schlichtungsverfahren ein.

Inseln müssten zurückgebaut werden

Das Urteil ist bindend. Eigentlich müsste China die laut Urteil illegal aufgeschütteten Inseln zurückbauen und seine Wachtürme und Anlegestellen abbauen. Stattdessen hat Peking sofort klargemacht, dass der Richterspruch „null und nichtig“ sei. Aus chinesischer Sicht haben sich die Richter von den USA instrumentalisieren lassen.

Der alte China-Rivale Vietnam, selbst mit dem Nachbarn in einem bitteren Streit um die Paracel-Inseln verstrickt, fühlt sich derweil ermutigt. Vietnam erneuerte gestern seine eigenen territorialen und maritimen Ansprüche.

Die Amerikaner rüsten in der Konfliktregion massiv auf

Die USA stellten sich hinter die kleinen Staaten. Sie bestehen darauf, dass es sich um internationale Gewässer mit Zugang für alle handle. Tatsächlich aber rüsten auch die USA in der Region massiv auf. Anders als den Anrainerstaaten geht es den Amerikanern weniger um die reichen Fischbestände oder um die vermuteten Gasreserven. Vielmehr führt durch das Südchinesische Meer die wichtigste Wasserstraße der Welt. Wer diese Region beherrscht, hat Einfluss auf ein Drittel des Welthandels.

Das Urteil aus Den Haag entspannt die Lage nicht. Am Wochenende brachte die chinesische Führung fast ihre gesamte Marine in Stellung: Hunderte von Flugzeugen, U-Booten und Schiffen. Eine Routineübung? Wohl kaum.