Washington. Clinton hat zugegeben, offizielle E-Mails über ein privates Postfach geschickt zu haben. Ein Bericht rückt den Vorfall in neues Licht.

Mangelnde Vertrauenswürdigkeit. Das ist das größte Manko, das Amerikaner immer wieder in Umfragen nennen, wenn es um Hillary Clinton geht. Die designierte demokratische Präsidentschaftskandidatin gilt als Politikerin, die nach eigenen Regeln lebt. Dieser Eindruck hat gestern substanziell neue Nahrung bekommen. Anders als von Clinton seit Monaten behauptet, hat die 68-Jährige während ihrer Zeit als Außenministerin zwischen 2009 bis 2013 bei der Nutzung eines privaten E-Mail-Servers für ihren Dienstverkehr eindeutig gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen und sich der Gefahr von Computer-Hackern ausgesetzt.

Der über 80-seitige Bericht der internen Kontrollinstanz des State Departements zu der seit über einem Jahr schwelenden Affäre liest sich wie eine glasklare Rüge. Clinton habe den „unzulässigen“ Gebrauch des privaten E-Mail-Servers, der unter der Adresse hdr22@clintonemail.com in ihrem Haus in Chappaqua im Bundesstaat New York installiert war, „nie genehmigen“ lassen. Obwohl ihren Mitarbeitern signalisiert worden sei, dass die Praxis mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sei, habe die frühere Außenministerin keine Anstalten gemacht ihr Verhalten zu ändern, schrieb der zuständige Generalinspekteur Steve Linick.

Bequemlichkeit als Ausrede

Clinton hatte die Affäre, die durch einen rumänischen Hacker öffentlich wurde, zunächst lange abgetan. Als der Druck größer wurde, nannte sie die Nutzung des privaten Servers in einem Fernsehinterview einen „Fehler“. Sie beteuerte aber, nie absichtsvoll gegen Geheimhaltungsvorschriften verstoßen zu haben. Es sei für sie einfach eine Frage der „Bequemlichkeit“ gewesen, es so zu handhaben.

Clinton händigte mehrere zehntausend E-Mails nach Ablauf ihrer Amtszeit im Außenministerium aus. Das Gros davon ist inzwischen öffentlich und weitgehend belanglos. Clinton hält jedoch andere E-Mails weiter zurück, weil sie auf dem Standpunkt steht, sie seien privater Natur.

Waren Datenströme im Außenministerium schon immer unsicher?

Die Opposition, allen voran ihr mutmaßlicher Kontrahent bei der Wahl im November, Donald Trump, wittert einen handfesten Skandal und charakterisiert Clinton als Risiko für die nationale Sicherheit. Er nennt sie beinahe täglich „Crooked Hillary“, betrügerische Hillary. Tenor der Republikaner: An der E-Mail-Affäre zeige sich, woran es Clinton grundsätzlich fehle: an gesundem Urteilsvermögen.

Clintons Kampagne, gerade bis zur Halskrause damit beschäftigt, bis zum Parteitag im Juli den internen Widersacher Bernie Sanders abzuwehren, nahm den Abschlussbericht des Außenministeriums nur selektiv zur Kenntnis. Dort heißt es: „Im Büro des Außenministers gab es über längere Zeit systematische Schwächen bei der elektronischen Kommunikation und der Aufzeichnung, die über die Amtszeit eines Außenministers hinausgehen.“ Heißt: Auch unter Clintons Vorgängern, darunter Colin Powell und Condoleezza Rice, und bei ihrem Nachfolger John Kerry war oder ist nicht alles in Ordnung.

Fazit: Der Bericht des Außenministeriums rückt Clinton in ein ungünstiges Licht. Richtig ernst würde es aber erst, wenn die laufenden Untersuchungen der Bundespolizei FBI in der Angelegenheit ergeben sollten, dass sich Clinton bei der elektronischen Handhabung von Staatsgeheimnissen strafbar gemacht hat. Das Justizministerium stünde dann vor der Frage, in der heißen Wahlkampfphase Anklage zu erheben. Es könnte das Aus für Clintons Präsidentschaftskandidatur bedeuten.