Washington/Havanna. Obama startet einen Annäherungsversuch. Mit seinem Staatsbesuch will der US-Präsident die Eiszeit mit dem Inselstaat Kuba beenden.

Vor 15 Monaten schrieb Barack Obama das Vorwort für eines der wichtigsten Kapitel seines außenpolitischen Vermächtnisses. Überschrift: Tauwetter statt Eiszeit im seit 60 Jahren kaputten Verhältnis mit Kuba. Ab Sonntag will Amerikas Ende des Jahres abtretender Präsident die erste Dividende seines epochalen Kurswechsels einstreichen. Seine dreitätige Visite in Havanna markiert den ersten offiziellen Besuch eines amerikanischen Staatsoberhauptes auf der Karibikinsel seit 1928. Damals lief Calvin Coolidge auf einem Kriegsschiff im Hafen von Havanna ein.

Die Erwartungen sind groß, die Risiken für Fehltritte nicht minder. Beide Seiten betreten Neuland. Nach der holprigen Phase der vom Vatikan mit beförderten Annäherung – Aufnahme diplomatischer Beziehungen, Wiedereröffnung der nach der Fidel-Castro-Revolution 1959 geschlossenen Botschaften, Lockerungen im strengen Isolationsregime – will das Weiße Haus die Entspannungspolitik gegenüber dem heute von Kubas Staatschef Raúl Castro geführten Nachbarn im Süden „unumkehrbar“ machen, wie Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes sagte.

Es gibt wieder Postverkehr

Größter Brocken, der einer weiteren Annäherung im Weg liegt: das seit 1961 geltende Embargo. Obama hat es punktuell aufgeweicht. Ganz aufheben kann es nur der Kongress. Solange dort die Republikaner die Mehrheit haben, wird daraus nichts. Im Gegenteil. Im Wahlkampf legen die Konservativen nach. Obama ist ein Kommunistenunterstützer, so lautet ihre Faustformel.

Dabei sind die Lockerungen nicht zu übersehen. Amerikaner dürfen Kuba entschieden leichter bereisen als noch vor einem Jahr. Umgekehrt können Kubaner in Amerika Konten eröffnen. Auf der Insel dürfen zudem Geschäfte in der Währung des Klassenfeindes abgewickelt werden. Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert gibt es wieder Postverkehr. Schon ab Spätsommer könnten täglich 110 Linienflüge aus den USA auf kubanischen Rollfeldern landen. Millioneneinnahmen für den Tourismus winken. Die Tage des morbide vor sich hin verwitternden Kubas sind gezählt. Oder doch nicht?

„Lasst uns etwas anderes probieren“

Die Regierung in Havanna schlug zuletzt vermehrt markige Töne an. Tenor: Die Revolution geht weiter und hat immer recht. Vor allem die Einmischung des „imperialistischen Goliaths“ in innere Angelegenheiten stößt laut Parteiorgan Granma sauer auf. Und bringt Washington in die Bredouille. Dissidenten wie die prominente Gruppe Damen in Weiß (Damas de Blanco) verlangen von Obama, die Freilassung von politischen Gefangenen ganz nach oben auf die Tagesordnung zu schieben.

Einen Affront wird Obama nicht riskieren. Gegenforderungen könnten sonst noch lauter gestellt werden. Allen voran: Guantanamo Bay. Castro verlangt die US-Militärbasis zurück. Die Amerikaner wollen den Brückenkopf, der seit 1903 über einen Pachtvertrag von den USA gehalten wird, nicht aufgeben. Unabhängig von dem dort installierten Terrorgefangenenlager.

In der Öffentlichkeit hat Obama die Mehrheit hinter sich. Zwei Drittel der Amerikaner gehen mit, wenn der Präsident konstatiert: „60 Jahre Isolation haben nicht funktioniert. Lasst uns etwas anderes probieren.“