Athen/Berlin. Mazedonien schließt die Grenze für afghanische Flüchtlinge. Tausende müssen weiter in Griechenland ausharren. Wie lange geht das gut?

Die Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze spitzt sich zu: Während Mazedonien kaum noch Flüchtlinge ins Land lässt, kommen immer mehr Schutzsuchende über die Ägäis zu den griechischen Inseln. Die Aufnahmefähigkeit des Landes könnte bald erschöpft sein.

Den neuen Kurs der mazedonischen Regierung bekamen am Dienstag 900 afghanische Migranten zu spüren: Statt nach Norden in Richtung EU ging die Reise zurück nach Süden: In mehreren Reisebussen ließ die griechische Polizei die Menschen von der mazedonischen Grenze in Auffanglager nach Athen bringen. Mazedonien hat seine Grenze seit Sonntag für Afghanen geschlossen. Lediglich Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak werden durchgelassen, sofern sie gültige Pässe haben, doch auch sie nur in kleinen Gruppen. Am Dienstag ließ Mazedonien nach griechischen Angaben nur wenige Hundert Menschen einreisen, während auf den Inseln rund 5000 neue Ankömmlinge aus der Türkei gezählt wurden. Dass die Balkanstaaten ihre Grenzen dicht machen, hat sich offenbar auch unter den Flüchtlingen herumgesprochen, die an der türkischen Küste warten. Viele versuchen deshalb in letzter Minute, doch noch durch die gefährliche Fahrt in den Schlauchbooten der Schleuser nach Griechenland und von dort weiter nach Nordeuropa zu gelangen.

In Griechenland kommen 40 Prozent weniger Menschen an

Aber für viele ist die Reise schon bald zu Ende: Wegen der Straßenblockaden protestierender griechischer Bauern harrten am Dienstag Hunderte Flüchtlinge in ihren Bussen in Thessalien aus. Spätestens an der mazedonischen Grenze ist für die meisten Endstation. Manche suchen nach einem Loch im Grenzzaun, aber vergeblich. Die mazedonischen Behörden bauen die Sperranlagen immer weiter aus. Hunderte Migranten besetzten die Eisenbahngleise, die bei der Ortschaft Idomeni über die Grenze führen, und blockierten so die Weiterfahrt mehrerer Güterzüge. Doch die Polizei räumte die Bahnstrecke.

Chaotische Zustände herrschten auch im Hafen von Piräus, wo am Montag rund 4000 Schutzsuchende mit Fährschiffen von den ostägäischen Inseln eingetroffen waren. Am Dienstagmorgen kamen 1200 Menschen, weitere wurden am Abend erwartet. „Es kommen immer mehr Schiffe“, sagte der Bürgermeister von Piräus, Jannis Moralis, im Fernsehen. Die Terminals im Hafen seien bereits überfüllt.

Registrierung läuft mittlerweile deutlich besser

Die Polizei versucht, die Ankömmlinge von der Weiterfahrt nach Norden abzuhalten, um die angespannte Lage an der mazedonischen Grenze nicht noch weiter zu verschärfen. Die Menschen wurden in Lager- und Sporthallen untergebracht. Viele erklärten aber, sie wollten auf eigene Faust weiter nach Norden. Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex kamen seit Beginn des Jahres 82.000 Menschen unregistriert über die Grenze von der Türkei nach Griechenland. Das sind fast 40 Prozent weniger als noch im Dezember, jedoch sechsmal so viele wie im Januar 2015. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht dagegen von 102.500 Menschen aus, die seit Jahresbeginn nach Griechenland geflohen sind – mehr als im gesamten ersten Halbjahr 2015. Oft liegen den Behörden nur Schätzungen vor, manchmal werden Menschen doppelt registriert, manchmal tauchen sie illegal unter. Das galt vor allem für das vergangene Jahr. Mittlerweile läuft die Registrierung laut Frontex deutlich besser. Und doch: Geht es so weiter, könnte sich Griechenland binnen weniger Tagen in ein riesiges Internierungslager für Migranten verwandeln – ohne dass es bisher eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung für die ständig nachkommenden Menschen gibt. Unter Hochdruck prüft die griechische Regierung jetzt, wo die Menschen Aufnahme finden können. So sollen unter anderem Einrichtungen der Streitkräfte als Flüchtlingslager hergerichtet werden.

Griechenland legte nun bei der EU in Brüssel Protest ein, weil sich Österreich am heutigen Mittwoch mit den Balkanstaaten über einen restriktiveren Kurs in der Asylpolitik absprechen will. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) warnte Österreich und die Balkanländer vor Alleingängen. Die Staaten würden an zahlreichen Grenzübergängen Chaos verursachen und so die Situation der Menschen noch erschweren. 410 Migranten kamen seit Jahresbeginn bei der Flucht über das Mittelmeer laut IOM ums Leben.

Flüchtlingen werden Zugangswege in die EU abgeschnitten

Auch aus Deutschland kommt Kritik an Ländern wie Österreich und Mazedonien auf. „Den Flüchtlingen werden Schritt für Schritt alle Zugangswege in die EU abgeschnitten“, sagte die Linke-Politikerin Ulla Jelpke dieser Redaktion. Menschen aus Afghanistan hätten in Deutschland hohe Schutzquoten von um die 80 Prozent. „Aber sie kommen gar nicht raus aus Griechenland und müssen dort in Auffanglagern ihrem ungewissen Schicksal entgegensehen.“

Vor Alleingängen in der EU warnte auch CDU-Innenexperte Ansgar Heveling – sonst würden „einzelne europäische Länder wie jetzt Griechenland überraschend besonders belastet“. Heveling sagte dieser Redaktion: Für eine gesamteuropäische Lösung sei es vor allem wichtig, dass der „Nato-Einsatz in der Ägäis rasch in Gang kommt“. Dort sollen in diesen Tagen erste Schiffe an der Seegrenze zur Türkei patrouillieren.