London. Die UN halten Julian Assange für illegal festgesetzt, der Australier selbst feiert einen „Sieg“. Geändert hat das vorerst aber nichts.

Wikileaks-Gründer Julian Assange hat das UN-Rechtsgutachten, das seine jahrelange Botschaftszuflucht als Freiheitsberaubung eingestuft, als einen „Sieg“ bezeichnet. Schweden und Großbritannien müssten nun entsprechend dieser Schlussfolgerung handeln, sagte Assange via Video-Link am Freitag in London. Das Gutachten sei „rechtlich bindend“, sei wie eine Rehabilitation, fügte er hinzu. Zudem liege keine Anklage gegen ihn vor.

UN-Rechtsexperten hatten die jahrelange Botschaftszuflucht des Wikileaks-Gründers Julian Assange in London als Freiheitsberaubung und eine Form der willkürlichen Haft eingestuft. Verantwortlich dafür sei das juristische Vorgehen Schwedens und Großbritanniens, erklärte die unabhängige Arbeitsgruppe zum Thema willkürliche Inhaftierungen (WGAD) am Freitag in Genf.

Nur drei von fünf UN-Experten stimmen zu Gunsten Assanges

Nun gebe es „Licht am Ende des Tunnelns“, sagte Assange-Anwältin Melinda Taylor.
Nun gebe es „Licht am Ende des Tunnelns“, sagte Assange-Anwältin Melinda Taylor. © REUTERS | NEIL HALL

Die Arbeitsgruppe „sieht die verschiedenen Formen der Freiheitsberaubung, denen Julian Assange ausgesetzt wurde, als eine Form der willkürlichen Inhaftierung an“, erklärte deren Vorsitzender, der südkoreanische Experte für internationales Recht Seong-Phil Hong. Die Experten riefen die Regierungen beider Länder auf, dafür zu sorgen, dass Assange sich frei bewegen könne. Zudem müsse er für die erzwungene Zuflucht in der Botschaft Ecuadors seit Juni 2012 sowie zuvor eine Haftzeit und Hausarrest seit Dezember 2010 entschädigt werden, erklärte die Gruppe aus fünf Juristen.

Nur drei Mitglieder der fünfköpfigen UN-Expertengruppe haben deren Gutachten zugunsten von Assange zugestimmt. Das bestätigte der Sekretär der Arbeitsgruppe, Christophe Peschoux. Demnach sprach sich der ukrainische Experte für internationale Strafjustiz, Wladimir Toschilowski, bei der internen Abstimmung dagegen aus, Assange als Opfer „willkürlicher Inhaftierung“ anzusehen. Wie der Ukrainer die Gegenstimme begründete, wurde zunächst nicht bekannt.

UN nennt Gutachten „indirekt juristisch bindend

Die australische Menschenrechtsexpertin Leigh Toomey enthielt sich den Angaben zufolge unter Hinweis auf einen möglichen Interessenkonflikt der Stimme. Auch Assange stammt aus Australien. Für das Gutachten stimmten demnach der Vorsitzende des Gremiums, der südkoreanische Dozent für internationales Recht Seong-Phil Hong, sowie die Juristen José Guevara aus Mexiko und Sètondji Adjovi aus Benin.

Der WGAD-Sekretär erklärte, es sei „ungewöhnlich“, dass Gutachten des Gremiums nicht einstimmig angenommen werden. Dennoch sei es nach Auffassung der Experten „indirekt juristisch bindend“, da es sich auf internationale Konventionen stütze. Das internationale Recht biete allerdings keine Möglichkeit, seine Anerkennung zu erzwingen.

Britischer Außenminister Hammond: Gutachten ist „lächerlich“

Großbritannien und Schweden wiesen die Schlussfolgerungen der Kommission zurück. „Mr. Assange hat sich dazu entschieden, freiwillig in der ecuadorianischen Botschaft zu bleiben und die schwedischen Behörden haben keinen Einfluss auf seine Entscheidung, dort zu sein“, schrieb der Leiter der Rechtsabteilung im schwedischen Außenministerium Anders Rönquist an die UN-Arbeitsgruppe. „Es steht Herrn Assange frei, die Botschaft zu jeder Zeit zu verlassen.“

Der britische Außenminister Philip Hammond nannte das Gutachten der UN-Experten „lächerlich“ und bezeichnete Assange als „Flüchtigen vor der Justiz“. Das Gutachten werde nichts an dem Vorgehen der britischen Behörden ändern, erklärte das Außenministerium.

Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño erklärte, sein Land werde Assange weiter schützen. Er bezeichnete die willkürliche Festsetzung von Assange als politische Verfolgung. Es sei „unmenschlich“, die angeschlagene Gesundheit des Australiers nicht zu berücksichtigen, sagte Patiño dem südamerikanischen Fernsehsender Telesur.

Assange hatte 2014 bei der Arbeitsgruppe Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, er sei „willkürlich inhaftiert“, da er die Botschaft Ecuadors in London nicht verlassen könne, ohne umgehend festgenommen zu werden. Assange lebt seit dreieinhalb Jahren dort im Exil. Wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs in Schweden liegt ein europäischer Haftbefehl gegen ihn vor.

Angst vor Auslieferung an die USA

Der Whistleblower, der maßgeblich an der Veröffentlichung geheimer US-Dokumente auf der Plattform Wikileaks beteiligt war, erklärt, er befürchte, von Schweden an die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm möglicherweise lebenslange Haft drohe. Die schwedische Regierung versicherte zum Gutachten der UN-Experten erneut, dass Assange nicht riskiere, von Schweden an die USA ausgeliefert zu werden. Es liege auch kein entsprechendes Gesuch der Amerikaner vor.

Assange hatte am Donnerstag angekündigt, er wolle die Botschaft verlassen, wenn seine Position nicht von den UN-Experten unterstützt werde. Unklar blieb, ob ihm zu diesem Zeitpunkt bereits die Richtung des Gutachtens bekannt war. (dpa/epd)