Washington. Seit Dienstag steht der Ex-Soldat Bowe Bergdahl wegen Fahnenflucht vor dem Militärgericht. Er könnte für Obama zum PR-Desaster werden.

Nach fünf Jahren Taliban-Gefangenschaft in Afghanistan sorgte US-Präsident Barack Obama mit großem Einsatz für die Freilassung des Soldaten Bowe Bergdahl. Ohne wie vorgeschrieben den Kongress vorab zu informieren, tauschte er fünf hochkarätige Guantanamo-Häftlinge gegen den Deserteur aus, der sich 2009 an der Grenze zu Pakistan von seinem Außenposten entfernt hatte.

Mit Jani und Bob Bergdahl, den Eltern des Mannes aus Idaho, an seiner Seite verkündete Obama im Mai 2014 im Weißen Haus das glückliche Ende: „Die Vereinigten Staaten lassen ihre Männer und Frauen in Uniform niemals zurück.“ 19 Monate später sieht die Welt ganz anders aus.

Seit Dienstag muss sich der 29-Jährige in Fort Bragg/North Carolina vor einem Militärgericht verantworten. Ihm wird Fahnenflucht und „Fehlverhalten vor dem Feind durch Gefährdung seiner Einheit“ vorgeworfen. Kurzum: Feigheit. Die Anklage kann mit einer lebenslangen Haftstrafe enden. Was für Präsident Obama einem PR-Desaster gleichkäme.

Donald Trump wettert gegen Ex-Soldaten

Bergdahls Anwalt Eugene Fidell beklagt eine extreme Politisierung des Verfahrens. Stärkstes Indiz: Donald Trump, der in Umfragen führende Präsidentschaftskandidat der Republikaner, bezeichnete Bergdahl öffentlich als einen „dreckigen, verkommenen Verräter“, der es verdient hätte, exekutiert zu werden.

Bergdahl hatte sich am 30. Juni 2009 von seinem Außenposten an der Grenze zu Pakistan entfernt und war unmittelbar den Taliban in die Hände gefallen. Während seiner Gefangenschaft wurde er gefoltert und über Jahre in einem Käfig gehalten.

Noch vor wenigen Wochen sah selbst die Militärführung keinen Anlass, den Soldaten mit der vollen Wucht der Armee-Gerichtsbarkeit zu überziehen. Bei einer Anhörung im September sagte Chef-Ermittler Kenneth Dahl, dass Bergdahl kein Taliban-Sympathisant sei. Auch den zuletzt von republikanischer Seite oft erhobenen Vorwurf, durch seine Flucht seien andere US-Soldaten in Gefahr gebracht oder gar getötet worden, weil sie Bergdahl sechs Wochen lang vergebens suchten, verwarf Dahl als haltlos. Sein Fazit: „Bergdahl gehört nicht ins Gefängnis.“

Bergdahl fühlte sich wie Geheimagent Jason Bourne

Anwalt Fidell folgerte daraus, dass sein landesweit durch ausgedehnte Medienberichterstattung bekannt gewordener Mandant allenfalls mit einer Degradierung oder einer geringen Haftstrafe bis zu einem Jahr zu rechnen habe.

Die Hoffnungen wurden allerdings in der vergangenen Woche zerstört, als General Robert Abrams, Chef des US-Streitkräftekommandos, ohne Angabe von Gründen überraschend das so genannte „court martial“-Verfahren anordnete. Also ein Verfahren vor einem Militärgericht.

Auslöser dafür, so wird in Sicherheitskreisen spekuliert, könnte auch ein umstrittener Medienauftritt Bergdahls gewesen sein, der bis zuletzt in Fort Sam Houston in Texas in einer Schreibstube Innendienst verrichtete. Erst vor wenigen Tagen hatte Bergdahl im Rahmen des beliebten Podcasts „Serial“ mit dem Hollywood-Drehbuchschreiber Mark Boal intensive Gespräche geführt. Darin berichtete Bergdahl, er habe den Stützpunkt in der Provinz Paktika bewusst verlassen, um eine Suchaktion des US-Militärs zu provozieren und so auf Führungsversagen in seiner Einheit und die Fragwürdigkeit des Afghanistan-Einsatzes an sich hinzuweisen. Wörtlich sagte Bergdahl, er habe sich wie der von Matt Damon gespielte Geheimagent Jason Bourne aus der gleichnamigen Hollywood-Reihe gefühlt.

Nach der offiziellen Anklage-Erhebung am Dienstag wird mit einem Prozessbeginn im kommenden Sommer gerechnet. Bergdahls Schicksal gerät dann mitten in die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfs.