Athen . An einem Tag dürfen aber lediglich 420 Euro abgehoben werden. Regierungsumbildung in Athen. Varoufakis zweifelt Reformen an.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras will die Verhandlungen über ein drittes Milliarden-Hilfsprogramm mit einer neuen Regierung unter Dach und Fach bringen. Nach der Kabinettsumbildung wurden am Sonnabend in Athen die neuen Minister vereidigt. Tsipras hatte am Vorabend zahlreiche Vertreter des linken Flügels seiner Syriza-Partei aus dem Kabinett entlassen. Enge Mitarbeiter und Vertraute des Regierungschefs traten an ihre Stelle.
Griechenland ist mit 313 Milliarden Euro verschuldet und steht kurz vor der Pleite. Das neue Hilfspaket soll nach bisherigen Planungen bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen. Im Gegenzug muss Athen harte Spar- und Reformauflagen erfüllen. In einem ersten Schritt hatte das Parlament ein Gesetzespaket mit Reform- und Sparauflagen gebilligt – eine Bedingung der Euro-Partner. Weitere Maßnahmen müssen am Mittwoch beschlossen werden.
Varoufakis zweifelt Refomren an
Der ehemalige griechische Finanzminister Giannis Varoufakis zweifelte in einem Interview der britischen BBC den Erfolg der Reformen an: „Dieses Programm ist zum Scheitern verurteilt, wer auch immer es umsetzt.“ Er war vor knapp zwei Wochen zurückgetreten, nachdem die Griechen sich in einem Referendum gegen zusätzliche Sparmaßnahmen ausgesprochen hatten. Tsipras vollzog nach der Volksabstimmung eine Kehrtwende und stimmte solchen Auflagen doch zu.
Nach der Umbildung des Kabinetts übernahm Panos Skourletis das wichtige Ministerium für Umwelt und Energie, das zahlreiche Privatisierungen vornehmen muss. Skourletis war zuvor Tsipras’ Mitarbeiter. Finanzminister bleibt Euklid Tsakalotos. Auch Außenminister Nikos Kotzias behält sein Amt. Unter den Entlassenen ist Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis. Zudem wurde der Vizeminister für Sozialthemen, Dimitris Stratoulis, gefeuert. Beide hatten – wie 30 andere Abgeordnete der Syriza – Donnerstagfrüh gegen die Spar- und Reformgesetze votiert.
Chronologie der Griechenland-Krise
Das dritte Hilfspaket dürfte erst in einigen Wochen stehen. Angestrebt wird eine Einigung bis Mitte August. Damit Griechenland nicht vorher in die Pleite rutscht, bekommt es einen Notkredit von rund sieben Milliarden Euro aus dem EU-Rettungstopf EFSM. Diese Brückenfinanzierung soll Athen helfen, am heutigen Montag Schulden an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen zu können. 3,5 Milliarden Euro werden dann fällig. Während die Regierung von Alexis Tsipras beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits mit gut zwei Milliarden Euro im Zahlungsrückstand ist, rechnet EZB-Präsident Mario Draghi fest mit einer fristgerechten Überweisung heute.
Die seit drei Wochen geschlossenen griechischen Banken dürfen nun endgültig heute wieder öffnen. Der entsprechende Erlass wurde am Sonnabend von den zuständigen Ministern unterzeichnet, wie das Finanzministerium mitteilte. Die meisten Kapitalverkehrskontrollen bleiben aber in Kraft. Damit es nicht mehr zu langen Warteschlangen vor den Geldautomaten kommt, sollen die Bürger pro Woche auf einmal bis zu 420 Euro abheben dürfen. Das teilte der stellvertretende Finanzminister Dimitris Mardas im griechischen Rundfunk mit. Bislang waren es pro Tag höchstens 60 Euro.
Grexit-Debatte nicht beigelegt
Währenddessen ist der Streit in der Großen Koalition in Berlin über einen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zuvor ins Spiel gebrachten zeitlich begrenzten Ausstieg Griechenlands aus dem Euro (Grexit) noch nicht beigelegt.
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) machte Schäuble am Wochenende erneut Vorhaltungen. Gabriel, der auch SPD-Vorsitzender ist, sagte im ZDF-„Sommerinterview“: „Diesen Vorschlag als deutschen Vorschlag einzubringen war aus meiner Sicht nicht vernünftig.“ Das hätte man „anders machen müssen“. Schäuble habe gewusst, „dass wir in der Sozialdemokratie nur für einen einzigen Fall bereit sind, über ein Aussteigen Griechenlands aus der Euro-Zone zu reden“, nämlich dann, „wenn die Griechen das selbst wollen“.
Schäuble wiederum warf Gabriel indirekt vor, die Dinge falsch darzustellen. „Jede Partei hat ihre Probleme. Und in einer Koalition nimmt man aufeinander Rücksicht“, sagte er dem Magazin „Der Spiegel“. „Aber man sollte eigene Probleme nicht durch unzutreffende Behauptungen über andere lösen wollen.“ Im „Spiegel“ räumte Schäuble ein, dass er mit Merkel in der Griechenland-Frage nicht immer einer Meinung gewesen sei. Das gehöre zur Demokratie dazu. Er räsonierte zugleich über die Option eines Rücktritts, sollte er zum Handeln gegen seine Überzeugungen gezwungen werden – nur um dieses Szenario gleich wieder abzuräumen. Auf die Nachfrage, ob er darüber nachdenke, entgegnete Schäuble: „Nein, wie kommen Sie darauf?“