Während die Regierungschefin ihr Volk beschwört zusammenzustehen, fürchten andere eine breitere Kluft in der Bevölkerung

Kopenhagen. Alles ist wie vorher – nach außen. Und doch ist alles anders in Dänemark, weil zum ersten Mal seit 30 Jahren Menschen zu Terror-pfern geworden sind. Nach den Anschlägen von Kopenhagen schwanken die Dänen zwischen der Hoffnung, enger zusammenzuwachsen und der Angst, weiter auseinanderzudriften.

„Wir stehen Schulter an Schulter. Muslime, Juden und Christen“, sagt Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt bei der Gedenkfeier für die Opfer. Doch daran zweifeln viele in dem Land, in dem Kritik an Einwanderung und Islam lauter zu hören ist als anderswo. „Ich glaube, wir werden uns weiter voneinander entfernen“, sagt die 26-jährige Zelal Kara. Ihre Familie habe Angst, dass die Vorurteile gegen Muslime wegen der Tat des Terroristen zunehmen werden. „Dänemark ist mein Land“, sagt die 34-jährige Maryam Hussain – und fürchtet trotzdem, künftig anders behandelt zu werden. Mit einwanderungskritischen Parolen haben die Rechtspopulisten in Dänemark in den vergangenen Jahren immer mehr Aufwind bekommen. In Meinungsumfragen lagen sie zuletzt bei rund 20 Prozent.

Für Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt sind die Anschläge deshalb bei aller Traurigkeit darüber auch eine Chance, sich zu einem kritischen Zeitpunkt als Landesmutter zu beweisen. Denn spätestens im September wählt Dänemark ein neues Parlament. Und bislang sieht es nicht danach aus, als könnte die Sozialdemokratin weiterregieren. Beobachter mutmaßen nun, dass Thorning-Schmidt die Gelegenheit nutzen und bald Wahlen ausrufen könnte. „Um ehrlich zu sein, bin ich nicht in Wahlkampflaune“, hatte sie nach den Anschlägen gesagt.

Politik-Experte David Trads ist sich sicher, dass sie ihre Strategie bald ändern wird: „Natürlich denkt Thorning nach dem Terror an Wahlen“, sagt er der Nachrichtenagentur Ritzau. Kletterten ihre Umfragewerte, könnte sie die Dänen in ein paar Wochen an die Wahlurnen bitten. „Historisch gesehen wissen wir, dass der Regierungschef in Situationen, in denen große Tragödien geschehen, die die Nation einen können, in den Fokus rückt.“ Der politische Kommentator Erik Holstein meint dagegen: „Es ist noch unklar, ob Thorning für ihr stilsicheres Auftreten in der Reaktion auf den islamistischen Terror belohnt wird, oder ob er der Dänischen Volkspartei zu einem Quantensprung verhelfen wird.“

Nachdem diese die Füße kurz nach den Anschlägen noch sehr still gehalten hatte, wettert die rechtspopulistische Politikerin Aia Fog wenige Tage danach auf ihrer Facebook-Seite: „Wäre die Regierung nicht dagegen, kriminelle Ausländer auszuweisen, wie die DF es will, wäre der Terrorist nach seiner letzten Verurteilung (...) ausgewiesen worden.“ Die regierenden Sozialdemokraten und die Radikale Linke trügen deshalb eine Mitschuld an dem Terrorangriff.