Athen erklärt Verhandlungen für gescheitert und pokert weiter. Brüssel setzt letzte Frist bis Freitag: „Aber das ist es dann auch so ziemlich“

Brüssel. Nicht einmal drei Stunden saßen die Euro-Finanzminister zusammen, da erklärte die griechische Regierung im fernen Athen mal eben die Gespräche in Brüssel für gescheitert. Ein denkwürdiger Vorgang in der Kompromiss-erprobten EU-Hauptstadt. „Es kann heute keine Einigung geben“, empörte sich das neue Links-rechts-Bündnis in Athen am Montagabend und stempelte die Verhandlungen der Euro-Minister als bloßen Zeitverlust ab.

Grund: Die griechische Regierung sperrt sich gegen eine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms. Der Entwurf für eine Erklärung der 19 Ressortchefs sei inakzeptabel, schimpfte ein Athener Regierungsvertreter. Ein Affront gegen den Rest in der Währungsunion. Denn die anderen Euro-Minister und die EU-Kommission plädieren für eine Verlängerung, um Zeit zu gewinnen. Was Athen aber wiederum von Anfang an als inakzeptabel abschmetterte.

Nach Griechenlands erneuter Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung des Hilfsprogramms setzt die Eurogruppe dem pleitebedrohten Land die Pistole auf die Brust: „Wir können diese Woche nutzen, aber das ist es dann auch so ziemlich“, sagte der Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach dem Abbruch der Verhandlungen am Montagabend in Brüssel. Griechenland gab sich derweil kompromissbereit. Das Land sei weiterhin bereit, alles zu tun, um eine Einigung in den kommenden beiden Tagen zu erreichen, sagte der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis.

Die Zeit für eine Lösung wird immer knapper, der Rahmen für einen Kompromiss immer kleiner. Schon die Vorzeichen vor der Euro-Runde konnten schlechter nicht sein. Er sei „sehr skeptisch“, hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble zerknirscht in die Mikrofone gesagt, bevor er mit den anderen Euro-Kollegen einen Ausweg aus der Griechenland-Krise auslotete.

Die Zweifel an einer Lösung wachsen nach dem jüngsten Eklat noch mehr. Schon „technische Gespräche“ von Experten der Griechen und der Geldgeber am Wochenende brachten nichts. Die Finanzmärkte stellen sich auch auf die Möglichkeit eines „Grexit“-Szenarios ein, den Austritt Athens aus der Währungsunion.

In einem Beitrag für die „New York Times“ bekräftigte Varoufakis, dass die harte Gesprächsführung seiner Regierung nichts mit Täuschungsmanövern zu tun habe. Wenn seine Erfahrung mit Spieltheorie ihn eines gelehrt habe, dann das, dass die aktuellen Verhandlungen nicht durch Bluffs oder taktische Tricksereien zu gewinnen seien, schrieb der Wirtschaftswissenschaftler. Die roten Linien, die seine Regierung aufgezeigt habe, seien nicht verhandelbar. So sollen zum Beispiel Privatisierungsprojekte überprüft werden, die Sparauflagen des bisherigen Rettungsprogramms nicht mehr erfüllt werden.

Dass die Zeit drängt, ist allen Beteiligten klar. Ende Februar läuft das Hilfsprogramm der Europäer aus, die letzte Milliarden-Rate liegt auf Eis. Der Grundkonflikt: Ministerpräsident Alexis Tsipras lehnt große Teile der Auflagen für Hilfsgeld der Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds wegen sozialer Härten ab. Zugleich müssen neue Milliarden her – auch um Wahlversprechen zu finanzieren und Zusagen zu begleichen. Doch niemand leiht Athen ohne Garantien noch Geld. Die Griechen behaupten, sie hätten eigentlich keine akuten Finanzprobleme – man brauche halt nur mehr Zeit. Aber: Genaues weiß man nicht. „Die griechische Regierung hat sich offenbar gar nicht bewegt“, kommentierte Schäuble zu Beginn der Gespräche in Brüssel.

Bis spätestens zum Sommer benötigt Athen einen zweistelligen Milliardenbetrag, um Zahlungsforderungen der Geldgeber zu erfüllen. Bis Montagnachmittag lagen aber weder konkrete Vorschläge der Griechen vor, noch belastbare Zahlen. Wenig förderlich für die Stimmung sind Aussagen von Varoufakis, der die Reform- und Sparauflagen der Euro-Partner schon mal ein „fiskalisches Waterboarding“ und einen „sozialen Holocaust“ nannte.

Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling sprach aus, was inzwischen alle in der Euro-Gruppe meinen: „Der Ball liegt bei den Griechen.“ Einhelliger Tenor: Die neue Regierung müsse endlich aus dem Wahlkampfmodus heraus und in der Realität ankommen. Schäuble formulierte es auf seine Art: „Mir tun die Griechen leid. Sie haben eine Regierung gewählt, die sich im Augenblick ziemlich unverantwortlich verhält.“ Ein promptes Nein auch zum jüngsten Varoufakis-Vorstoß für ein europäisches Sozialprogramm auf Kosten aller. Zeitverschwendung sei das, wetterte Schäuble gen Athen. In den nächsten Tagen muss etwas passieren – auch weil Parlamente anderer Länder zustimmen müssen. Etwa der Bundestag, der nächste Woche tagt. Eine Verlängerung des bestehenden Hilfsprogramms, wie es die Euro-Länder schon 2014 vorschlugen, lehnt Athen bisher rigoros ab. Dort geht es offensichtlich um eine neue Brückenfinanzierung ohne große Auflagen. Klare Worte kommen aus der Europäischen Zentralbank. Sie pocht auf eine Einigung. Ansonsten könne die EZB Hellas-Banken nicht länger stützen. Ohne weitere Milliarden aber würde es eng für Athen – eine Staatspleite und ein „Grexit“ rückten näher.