Kiew. Einen Tag nach dem Inkrafttreten der Waffenruhe in der Ostukraine ist der Friedensprozess ins Stocken geraten. Die ukrainische Regierung und die prorussischen Rebellen warfen sich am Montag gegenseitig Verstöße gegen die Feuerpause vor und schlossen den ursprünglich für den Abend geplanten Beginn des Abzugs schwerer Waffen vorerst aus. Ein Beginn des Waffenabzugs von der Frontlinie stehe momentan nicht zur Debatte, erklärte Armeesprecher Wladislaw Selesnjow in Kiew. Er begründete dies mit versuchten Panzerangriffen und anhaltendem Beschuss durch die prorussischen Rebellen. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin erklärte, seitens der Separatisten habe es binnen 24 Stunden 112 Angriffe gegeben. Nach Regierungsangaben wurden mindestens fünf ukrainische Soldaten getötet. Bei Kämpfen in der Nähe der Hafenstadt Mariupol seien zudem mehr als 20 weitere Soldaten verletzt worden.

Ein Militärführer der Rebellen, Eduard Bassurin, schloss einen Abzug schwerer Waffen ebenfalls aus. Dieser könne erst nach einem „vollständigen Ende der Schüsse“ erfolgen, sagte er laut der offiziellen Nachrichtenagentur der Aufständischen, DAN. Bassurin warf der ukrainischen Armee vor, den Flughafen von Donezk zu beschießen.

Die ukrainische Regierung und die Rebellen hatten sich am vergangenen Donnerstag nach einem Verhandlungsmarathon unter Beteiligung Deutschlands, Frankreichs und Russlands auf ein „Maßnahmenpaket“ zur Umsetzung der Minsker Verträge von Anfang September verständigt. Seit Sonntag 0 Uhr gilt eine Waffenruhe. Binnen zwei Tagen sollte mit dem Abzug schwerer Waffen aus einer 50 Kilometer breiten Pufferzone begonnen werden. Doch insbesondere die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Debalzewe dauern an, in der prorussische Rebellen Tausende ukrainische Soldaten eingekesselt haben. Debalzewe ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen den von den Rebellen ausgerufenen „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk.

EU-Kommissionssprecherin Maja Kocijancic sagte, trotz einer „Reihe von Zwischenfällen“ scheine der Waffenstillstand „weitgehend eingehalten“ zu werden. Die Vereinbarung von Minsk müsse allerdings komplett umgesetzt werden. Die Bundesregierung rief die gegen Kiew kämpfenden Rebellen auf, Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einen sicheren Zugang nach Debalzewe zu gewähren.

Das russische Außenministerium kritisierte die am Montag in Kraft getretenen jüngsten EU-Strafmaßnahmen gegen Moskau als „unstimmig und unvernünftig“. Diese gegen Russland gerichteten Sanktionen erfolgten stets, wenn es Hoffnung auf eine Beilegung des Ukraine-Konflikts gebe. Von den Reisebeschränkungen und Kontoeinfrierungen sind 14 Militärs und Politiker aus den beiden „Volksrepubliken“ betroffen, außerdem zwei russische Vizeverteidigungsminister und drei weitere Russen.