Merkel und Hollande in Minsk. Letzte Chance auf Waffenstillstand in der Ukraine. Russlands Außenminister: Gespräche verlaufen „besser als super“

Minsk. Ein Abend voller Dramatik. Wird in Minsk der Durchbruch zum Frieden in der Ukraine gelingen? Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Hollande wollen es zumindest versuchen. Der weißrussische Präsident und Gastgeber Alexander Lukaschenko empfängt die Staatsgäste in der marmornen Eingangshalle des Palasts der Unabhängigkeit. Merkel erhält einen Strauß mit weißen und roten Blumen, Poroschenko und Putin bekommen eine vertraute Umarmung. Putin trifft als Letzter ein und begrüßt alle mit Handschlag.

Vor dem Vierertreffen sprechen Merkel, Hollande und Poroschenko zunächst alleine. Dann kommt Putin hinzu. Am späten Abend gehen sie zu Gesprächen im „erweiterten Format“ über. Merkel, Putin sowie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und der französische Staatschef François Hollande bitten ihre Außenminister dazu. Das russische Staatsfernsehen zeigt, wie sich die Politiker mit Mitgliedern ihrer Delegation an einen großen runden Tisch setzen. Zwei Stunden später wird wieder in kleiner Runde getagt.

Erster Hoffnungsschimmer: Das Präsidialamt des gastgebenden weißrussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko teilt mit, dass die Gespräche in eine gemeinsame Erklärung münden könnten. „Eine Deklaration ist möglich“, sagt ein Sprecher. Die weitere Dauer des Treffens sei unklar. „Es sind Fortschritte erreicht worden“, sagt der russische Botschafter in Weißrussland, Alexander Surikow, am Abend. Details gibt er nicht preis. Gegen 22 Uhr äußert sich der russische Außenminister Sergej Lawrow, die Gespräche verliefen „aktiv“. Auf Nachfrage erläutert er, dies bedeute „besser als super“.

Um die weißrussische Hauptstadt Minsk würde Angela Merkel normalerweise lieber einen Bogen machen. Seit mehr als 20 Jahren regiert Präsident Alexander Lukaschenko die Ex-Sowjetrepublik mit harter Hand. Das mit Sanktionen belegte Weißrussland gilt als „letzte Diktatur Europas“. Von Anbeginn der Ukraine-Krise schauten hiesige Staatsmedien verächtlich auf Kiews proeuropäische Maidan-Proteste. Die These: Demokratie führe zu Chaos. Ausgerechnet hier geht es jetzt um den Frieden auf dem Kontinent.

Das Minsker Treffen gilt als der letzte Versuch, ein noch größeres Blutvergießen in der Ukraine zu verhindern. Acht Monate dauern die Kämpfe der ukrainischen Regierungstruppen gegen die prorussischen Separatisten im Osten des Landes schon an. Tausende Menschen starben. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko besucht noch vor seiner Abreise nach Minsk demonstrativ Verletzte in einer Klinik.

Überraschend reisen auch die prorussischen Separatistenführer Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki nach Minsk. Welche Rolle sie dort spielen, ist unklar. Sollte es zu einem Verhandlungserfolg kommen, seien die beiden zur Unterschrift eines Abkommens bereit, sagt Separatistensprecher Andrej Purgin in Donezk. Die Führung in Kiew lehnt direkte Gespräche mit den Aufständischen ab und hat sie wiederholt als Terroristen bezeichnet.

Poroschenko sagt, er erwarte die bedingungslose Einstellung des Feuers in der Ostukraine und den Beginn eines politischen Dialogs. Die nun angedrohte Einführung des Kriegsrechts hatte er bisher vermieden, weil dann der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land, das am Rand des Bankrotts steht, keine Kredite mehr gewähren würde. „Wir sind für den Frieden, aber wenn wir den Gegner schlagen müssen, werden wir es tun. Wir verteidigen unser Land bis zum Letzten“, sagt Poroschenko. Einer von Russland vorgeschlagenen Föderalisierung der Ukraine erteilt er eine klare Absage. Die Separatisten im Donbass streben eine Unabhängigkeit von Kiew an. Zeitgleich zu den Verhandlungen setzt die Kontaktgruppe unter Beteiligung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ihre Gespräche fort. Am Vorabend war es ergebnislos.

Vor dem Gipfeltreffen hatte US-Präsident Barack Obama mit Putin und mit Poroschenko telefoniert. Obama forderte Putin auf, die Chance zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts zu nutzen. Poroschenko sicherte er zu, die USA würden dem Land weiter mit Finanzhilfen beistehen.

Was Merkel und Hollande ihrem Verhandlungspartner Putin als Gegenleistung für Frieden in der Ukraine anbieten, ist offen. Möglicherweise legen sie ihm noch einmal die Bildung einer gemeinsamen Freihandelszone der EU und eurasischen Wirtschaftsunion aus Russland, Weißrussland, Armenien und Kasachstan nahe. Ob das in Minsk zum Erfolg führt? Merkel vermied es bis zu ihrer Abreise, zu hohe Erwartungen zu wecken. Ihr Sprecher Steffen Seibert: „Dass diese Reise stattfindet, bedeutet einen Hoffnungsschimmer, aber auch nicht mehr.“