Kurdische Kämpfer bereiten sich vor, die irakische Millionenstadt vom IS zu befreien. Terrormiliz scheint geschwächt

Bagdad/Mossul. Einen „unbarmherzigen und erderschütternden Krieg“ kündigte König Abdullah an, nachdem die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) den Kampfjetpiloten Maas al-Kassasbeh in einem Käfig verbrannt hatte. Nun scheint Jordanien ernst zu machen. Seit letzten Donnerstag bombardiert die Luftwaffe des Königreichs täglich Stellungen der radikalsunnitischen Miliz. Bisher soll es 56 Angriffe auf Unterkünfte, Waffendepots und Trainingslager der Extremisten gegeben haben. Das gab Luftwaffenchef Mansur al-Jobour in Amman bekannt. „Mittlerweile haben wir 20 Prozent der Militärressourcen des IS zerstört“, sagte der General. „Wir haben erreicht, was wir wollten: Rache für Maas. Und das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang.“

Jordanien bekam unerwartet Unterstützung von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Golfstaat hatte nach der Verbrennung des jordanischen Piloten seine Beteiligung an den Luftangriffen in Syrien und Irak abgebrochen. Nun aber schickte man ein Geschwader von F-16-Kampfjets und Piloten nach Jordanien. Die unnachgiebige Haltung des Königreichs scheint die Vereinigten Arabischen Emirate überzeugt zu haben: Der Krieg gegen die IS-Terroristen muss fortgesetzt werden. Arabische Länder scheinen – mit nur wenigen Ausnahmen – einig im Kampf gegen den „Barbaren-Islam“ zu sein.

Die Terrormiliz folgt derweil nahezu buchstabengetreu den Strategien aus dem Buch „Management der Grausamkeit“, das der Islamist Abu Bakr Nadschi 2004 im Internet veröffentlichte. Darin steht, alle Feinde, ob Supermacht oder nicht, müssten zum Krieg provoziert werden. Denn das bringe neue Rekruten und Guerilla-Kämpfer für den Dschihad, die werbewirksam zu Märtyrern würden. Besonders hilfreich seien brutale Angriffe auf muslimische Staaten, so das Strategiepapier.

Man erzeugt zuerst Chaos und Gesetzlosigkeit, um dann daraus Kapital zu schlagen, indem man Sicherheit und Stabilität zurückbringe. So könne man die Menschen für sich und den Islam gewinnen. Es ist eine langfristig angelegte Kampfstrategie, die angeblich die Schwächen der Gegner bloßlege, die man dann nur noch kaltblütig ausnutzen müsse. So lautet das IS-Rezept für die islamistische Weltrevolution.

Aus diesem Kalkül heraus wählte die Terrorgruppe einen möglichst schrecklichen Tod für den jordanischen Piloten. Auch wird klar, warum man den Piloten bereits Anfang Januar ermordete und Scheinverhandlungen über einen Gefangenenaustausch führte. Man wollte das Entsetzen und die Abscheu in Jordanien an die oberste Grenze schrauben.

Es ist das perfide Kalkül der Unmenschlichkeit, mit der die Terrormiliz Jordanien und erneut die Vereinigten Arabischen Emirate zur Militärintervention im Irak und Syrien provozierte. Ist man also den Dschihadisten auf den Leim gegangen, die glauben, in Syrien würde die letzte Schlacht gegen die Ungläubigen am Tag des Jüngsten Gerichts stattfinden? Oder haben sich die IS-Terroristen gewaltig verschätzt?

„Die Zeit wird uns recht geben“, sagte ein IS-Mitglied in Syrien, das in Homs, Kobane oder auch Deirsor kämpfte. „Es gibt keine Frage, ihr werdet eurem Untergang entgegengehen.“ Natürlich gebe es immer Probleme und selbst Niederlagen auf dem Weg zum Sieg, räumte der pakistanischstämmige junge Mann ein. „Das war schon bei Prophet Mohammed so. Aber mit Allahs Hilfe wird sich das Kalifat über die ganze Welt erstrecken.“

Religiöser Größenwahn ist die Schwäche der Islamisten. Mit der Eroberung der syrischen Grenzstadt Kobane wollten sie ein Zeichen setzen: Selbst die Bomben der mächtigen USA können die Gotteskrieger nicht aufhalten. Ein Sieg in Kobane wäre eine fantastische Propaganda für die IS-Terrormiliz gewesen. Stattdessen wurden Kämpfer verheizt, und es gab eine vernichtende Niederlage. Laut dem Syrischen Beobachter für Menschenrechte soll der IS allein in Kobane mehr als 2000 Mann verloren haben. Auch in anderen Landesteilen Syriens mussten die Extremisten Niederlagen einstecken. Und im Irak drängte man sie weitflächig aus zahlreichen Gebieten zurück.

Die IS-Offensive ist einstweilen gestoppt und die Terrormiliz in die Defensive gezwungen. Innerhalb der Gruppe gibt es Konflikte über Militärstrategie und Ideologie, die zu Schießereien führen. Viele der ausländischen Kämpfer, gerade aus Europa, wollen nach Hause, dürfen aber nicht. Sie werden wie Gefangene gehalten. Immer wieder kommt es zu Racheaktionen gegen IS-Mitglieder. Und dann gibt es auch noch den Krieg.

Im von der Terrormiliz gehaltenen Mossul ließ die IS-Führung Verteidigungsgräben um die Stadt ziehen. Für umgerechnet 3500 Euro pro Kilometer hebt eine Baufirma einen zwei Meter breiten und zwei Meter tiefen Graben aus. Man bereitet sich auf die Offensive der irakischen Armee und der Peschmerga-Truppen der autonomen Kurdenregion vor. Optimismus sieht anders aus. Die IS-Terrormiliz bekam in Mossul schon zu spüren, wie nahe die feindlichen Truppen sind. Vor zwei Wochen wurden ihre Stellungen von der irakischen Armee mit Raketen beschossen. Nun hat die Terrormiliz mit Jordanien obendrein einen mächtigen Nachbarstaat zu einem entschiedenen Rachefeldzug provoziert.