300.000 Kindersoldaten weltweit im Einsatz. Vereinte Nationen kämpfen gegen das Rekrutieren von Jungen und Mädchen

Addis Abeba. Sie leben im Busch weit weg von ihren Familien, werden von skrupellosen Rebellen unter Drogen gesetzt und tragen Waffen, die oftmals größer sind als sie selbst: Kindersoldaten sind die unschuldigen Opfer und gleichzeitig auch brutale Täter in den zahlreichen Konflikten der Welt. „Das schlimmste denkbare Szenario ist es, einem Kind zu befehlen, seinen Vater vor den Augen der Dorfbewohner zu töten. Es trennt das Kind für immer von der Familie ab und macht es so von den Rebellen abhängig“, erklärt ein Sozialarbeiter im Konfliktland Südsudan.

Am Donnerstag begehen die Vereinten Nationen den Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Anlass für den Gedenktag war das Inkrafttreten eines Zusatzprotokolls über die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten zur Uno-Kinderrechtskonvention am 12. Februar 2002. Im Juni 2013 startete eine Initiative, wonach bis 2016 die Rekrutierung von Kindersoldaten gänzlich beendet werden sollte. Die Realität für weltweit schätzungsweise 300.000 Kinder sieht allerdings ganz anders aus.

Der 15-jährige Kalami, der im Kongo sechs Jahre lang als Kindersoldat diente, erzählte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International: „Eines Tages wurden wir gezwungen, eine ganze Familie zu töten, ihre Körper aufzuschneiden und sie zu essen. Mein Leben ist vorbei. Ich kann nachts nicht schlafen und denke immer wieder an die schrecklichen Dinge, die ich gesehen und getan habe.“ Der elfjährige Sylvain, der im Alter von neun Jahren von der Oppositionsgruppe Union kongolesischer Patrioten (UPC) rekrutiert wurde, erinnert sich: „Als ich das erste Mal tötete, schoss mir das Blut in den Kopf, und ich hatte Angst. Danach wurde das Töten normal, und ich war stolz auf meine Taten.“

Ob die berüchtigte LRA („Widerstandsarmee des Herrn“) aus Uganda, die Mai-Mai-Milizen im Ostkongo, die Islamistengruppe Al-Shabaab in Somalia oder Boko Haram in Nigeria – gerade in Afrika schrecken Rebellengruppen seit jeher nicht vor dem Einsatz von Jungen und Mädchen für ihren blutigen Kampf zurück. „Kinder werden als Soldaten eingesetzt, weil sie leicht zu beeinflussen sind und einer Gehirnwäsche unterzogen werden können“, erläutert die internationale Organisation War Child: „Sie essen nicht viel, sie kosten nicht viel, und sie haben einen noch nicht voll entwickelten Sinn für Gefahr, sodass sie ohne Probleme an die Front geschickt werden können.“

Nicht alle Kinder nehmen dabei aktiv an Kämpfen und Angriffen teil. Manche werden als Träger, Köche oder Spione eingesetzt, und Mädchen – die nach Schätzungen von War Child etwa 40 Prozent der in Konflikten eingesetzten Kinder ausmachen – werden häufig als Sexsklavinnen missbraucht. Viele werden von den Rebellen schwanger und können wegen dieser Schande mit ihren Babys nicht mehr in ihr Dorf zurückgehen.

Die Kinder, die zurückkommen, fühlen sich ausgegrenzt und isoliert und können sich an ein Leben außerhalb der Rebellenlager nur schwer gewöhnen. „Sie ziehen sich zurück und haben Probleme, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden“, erläutert Unicef-Expertin Sheema Sen Gupta, die in Somalia für die Abteilung Kinderschutz verantwortlich ist.

Aber ab und zu dringen auch gute Nachrichten aus dem Busch. So gelang es Unicef erst vor wenigen Wochen, mit einer Miliz im Südsudan die Freilassung von rund 3000 Kindersoldaten auszuhandeln. Die Jugendlichen im Alter von elf bis 19 Jahren hatten bis zu vier Jahre lang gekämpft. Jetzt erwartet sie endlich eine bessere Zukunft.