Angebliche Erziehungstipps vom Pontifex stoßen auf Unverständnis – oder war Franziskus mal wieder undiplomatisch?

Rom. Wenn Kinder nicht gehorchen, darf Vati zuhause schon mal Hiebe austeilen. Ausgerechnet Papst Franziskus hat das nun gesagt, der doch Kinder bei seinen Bädern in der Menge so gern innig umarmt. Ein Vater müsse den Nachwuchs eben manchmal „bestrafen“. Wichtig sei nur, dass er „gerecht“ sei – offen blieb dabei, ob mit Schlägen oder einem gelegentlichen Klaps auf den Po. Ein guter Vater sei einer, so hatte Papst Franziskus während der wöchentlichen Generalaudienz gesagt, der sein Kind in der Erziehung zu korrigieren weiß. Und um das anschaulicher zu machen, griff Franziskus mal wieder in sein Anekdoten-Archiv.

Er habe bei einem Treffen mit Ehepaaren einen Vater sagen hören „Ich muss manchmal meine Kinder ein bisschen schlagen, aber nicht ins Gesicht, um sie nicht zu demütigen.“ Damit war Franziskus einverstanden: „Wie schön“, kommentierte er. Der Vater zeige einen „Sinn der Würde“. Er müsse die Kinder bestrafen, „aber er tut es gerecht und geht weiter“. War der Papst-Spruch ein verbaler Ausrutscher oder gewollter Ratschlag?

In Deutschland wurden die Erziehungstipps des Pontifex’ jedenfalls mit Unverständnis zur Kenntnis genommen: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Kinderschutzorganisationen wiesen darauf hin, dass es kein würdevolles Schlagen anderer Menschen gebe. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) attestierte dem Papst „mittelalterliches Denken“.

Wer daraus mehr mache, wolle den Papst nicht verstehen, „der eine Revolution der Normalität, der einfachen Sprache und der klaren Gesten eingeleitet habe“, protestierte die Pressestelle im Vatikan in einer schriftlichen Erklärung. „Schauen Sie sich an, wie der Papst auf Kinder zugeht, und lassen Sie Bilder und Gesten für sich selbst sprechen!“, hieß es. In den Worten des Papstes sei es nicht um Grausamkeiten gegangen, sondern vielmehr darum, Kindern und Jugendlichen zu „Wachstum und Reife zu verhelfen“.

Dennoch wächst im Vatikan der Unmut über die undiplomatische Art, mit der Franziskus in lockeren Sprüchen oft ernste Themen abhandelt. Prügelstrafe ist in 39 Staaten weltweit gesetzlich verboten, auch in Deutschland. In den USA ist es Eltern erlaubt, Kinder zu schlagen, solange die Gewalt „vernünftig“ eingesetzt wird. Bereits Mitte Januar hatten Aussagen des Papstes für Irritationen gesorgt. Nach den Anschlägen auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ und einen koscheren Supermarkt in Paris hatte Franziskus zum Thema Meinungsfreiheit gesagt, auf Beleidigungen dürfe man nicht mit Gewalt reagieren, aber auf die Beleidigung der Mutter mit einem „Faustschlag“. An anderer Stelle empfahl er, Kinder nicht wie Karnickel zu zeugen.

Der Vatikan-Experte Ignazio Ingroia vom Wochenmagazin „Panorama“ sagte, Papst Franziskus habe keine Angst, die Dinge so zu sagen, wie sie seien: „Er ist nicht diplomatisch, sondern spricht das aus, was die Menschen empfinden.“ Bei den Gläubigen komme das an, sie verstünden ihn. Franziskus habe einen starken Vater-Instinkt, kenne die Probleme der Familien aus der Nähe und „weiß, wie physisch die Vaterrolle auch mal ist, obwohl er selbst kein Vater ist“. Er sei ein Weltpfarrer und mache sich nichts daraus, wenn „er politisch mal nicht ganz korrekt ist“.

Ähnlich kommentiert Marcello Presicci, Dozent für Kommunikationswissenschaften an der katholischen Lateransuniversität in Rom. „Franziskus trennt seine Rolle als Papst nicht von seiner menschlichen Existenz“, sagte Presicci. „Er spricht, wie er empfindet, direkt aus dem Bauch der Gläubigen.“ Der Pontifex wolle das Bewusstsein von Katholiken und Christen „wachrütteln, die heute oft weit entfernt vom Evangelium leben, und dabei hält er sich nicht immer an das vatikanische Protokoll. Da ist er weiter der Pfarrer Bergoglio.“

Trotzdem – als Startschuss zur ersten Vollversammlung der von Franziskus eingerichteten Kommission zum Schutz von Minderjährigen vor Missbrauch, die von Freitag bis Sonntag in Rom stattfindet, schien der Spruch nicht sehr passend. Dabei macht ausgerechnet Papst Franziskus sich für die Rechte und den Schutz der Kinder stark: Er hatte die Kommission Anfang 2014 ins Leben gerufen. Sie soll weltweit die katholische Kirche nach Schuldigen beim Missbrauch von Kindern durchforsten. Unter dem Vorsitz des US-amerikanischen Kardinals Sean Patrick O’Malley treten die 17 Mitglieder – darunter auch die Missbrauchsopfer Marie Collins und Peter Saunders sowie der deutsche Jesuitenpater Hans Zollner – zusammen.

Erst in dieser Woche hatte Franziskus in einem Brief an Bischöfe bedingungslosen Schutz von Minderjährigen vor Übergriffen und sexuellem Missbrauch von Seiten der Priester gefordert. „Es muss alles getan werden, um das Übel sexueller Übergriffe auf Minderjährige auszureißen“. Die Kirchenoberen sollten Übergriffe anzeigen, auch wenn sie „damit einen Skandal riskieren“. Franziskus zeigte, dass er durchgreifen will. Seit Sommer 2014 sitzt der polnische Ex-Bischof Josef Wesolowski im Vatikan wegen sexuellem Missbrauch und Kinderpornografie in Hausarrest.

Zum Wirbel um den Klaps auf den Po schrieb Franziskus am Freitag in einen Tweet: „Glauben zu haben heißt nicht, keine schwierigen Momente zu haben, sondern sie anzugehen in der Gewissheit nicht allein zu sein.”