Im Konflikt spricht Washington über Waffenlieferungen – kurz vor Merkels Besuch

Berlin. An ein Gipfeltreffen zum Ukraine-Konflikt ist derzeit nicht zu denken. Auch weitere Verhandlungen der Außenminister Russlands und der Ukraine in der Berliner Villa Borsig sind nicht geplant. Die letzten vier dieser Begegnungen auf Einladung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) haben die Bemühungen um eine Lösung des Konflikts zwischen prorussischen Separatisten und der prowestlichen Regierung in Kiew keinen Schritt vorangebracht. Im Gegenteil: Die Kämpfe in der Ostukraine sind nur noch schlimmer geworden. Beide Seiten rüsten auf.

Trotzdem werden an diesem Wochenende hochrangige Vertreter der Ukraine und Russlands im selben Raum sitzen. Ob sie auch miteinander reden, wird man sehen. Zur Münchner Sicherheitskonferenz im Luxushotel Bayerischer Hof werden aus Kiew Präsident Petro Poroschenko und Außenminister Pawel Klimkin erwartet. Aus Moskau reist der russische Außenminister Sergej Lawrow an. Die beiden Vermittler, Steinmeier und der französische Außenminister Laurent Fabius, sind ebenfalls da. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich angesagt.

Und außerdem sind die USA stark vertreten – mit Vizepräsident Joe Biden, Außenminister John Kerry und zehn Senatoren. Die Amerikaner haben sich aus dem Ukraine-Konflikt bisher weitgehend herausgehalten und die Vermittlung den Deutschen überlassen. Dass sie nun ausgerechnet wenige Tage vor der Sicherheitskonferenz und der am Sonntag beginnenden USA-Reise von Bundeskanzlerin Merkel Waffenlieferungen ins Spiel bringen, dürfte kein Zufall sein. Dabei geht es nicht um konkrete Pläne, sondern zunächst einmal nur um eine klare Botschaft an Moskau, um den Druck zu erhöhen: „Alle Optionen sind auf dem Tisch.“ Das ist ein US-Prinzip, dass man aus anderen Konflikten nur zu gut kennt – vom Irak über den Iran bis Syrien. Zwar hat die US-Regierung mittlerweile nachgeschoben, dass sie „in der nahen Zukunft“ keine Waffen an das Militär der Ukraine liefern will. Einen Bericht der „New York Times“, nach dem konkret die USA über Waffenlieferungen nachdenken, wird allerdings auch nicht direkt zurückgewiesen.

Die Berliner Krisendiplomatie durchkreuzt Washington damit. Kanzlerin Merkel hatte es erst vor wenigen Tagen beim russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die sanfte Tour versucht, und ihm eine Freihandelszone von Wladiwostok bis Lissabon in Aussicht gestellt – vorausgesetzt, das Ukraine-Problem wird gelöst.

Steinmeier verbringt seit Monaten einen Großteil seiner Arbeitszeit als Chefvermittler in dem Konflikt. Entsprechend aufgebracht reagierte der SPD-Politiker auf die Erwägungen in Washington. „Echte politische Lösungen kommen immer am Verhandlungstisch zustande und nie im Mündungsfeuer von Gewehren“, empörte er sich.

Waffenlieferungen in Krisengebiete sind für die Bundesregierung zwar seit dem vergangenen Jahr kein Tabu mehr. Die kurdischen Streitkräfte im Nordirak hat sie mit Raketen und Sturmgewehren im Wert von 70 Millionen Euro für ihren Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgerüstet. Der Irak ist mit der Ukraine aber nicht vergleichbar. Der IS ist in der arabischen Welt isoliert, eine breite Allianz aus 60 Staaten stellt sich ihm entgegen, und im Nordirak drohte ein Völkermord an der jesidischen Minderheit. In der Ukraine geht es um etwas anderes. Mit Waffenlieferungen würde der Westen genau das tun, was er an Russland kritisiert. Er würde zur Partei in einem Bürgerkrieg, den keine der beiden Seiten wirklich gewinnen kann. 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges gebe es eine Art Stellvertreterkrieg mitten in Europa: Russische Waffen und Kämpfer stünden gegen Waffen aus dem Westen.

Für Merkel und Steinmeier ist das keine Option. Sie werden auch in München versuchen, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. „Auf diplomatische Lösungen zu setzen ist, glaube ich, das Gebot der Stunde“, sagte die CDU-Vorsitzende am Dienstag. Das gelte auch, wenn es lange dauere und viele Bemühungen erfolglos seien.

In dem bewaffneten Konflikt wurden seit dem Frühjahr 2014 bereits mehr als 5000 Menschen getötet. Nach Behörden- und Separatistenangaben vom Dienstag wurden zuletzt binnen 24 Stunden mindestens 16 Zivilisten getötet. Fünf von ihnen starben im Umkreis der heftig umkämpften Stadt Debalzewe, die anderen in den Separatistenhochburgen Donezk und Lugansk. Der Menschenrechtskommissar der Uno hat vor einer „gefährlichen Eskalation“ der Kampfhandlungen in der Ostukraine gewarnt. „Die offene Erklärung der Vertreter der bewaffneten Gruppen, das Waffenstillstandsabkommen abzulehnen und die Offensive verstärken zu wollen, ist sehr gefährlich und äußerst besorgniserregend“, sagte Prinz Said Raad al-Hussein.