Untersuchungsausschuss soll Sondervereinbarungen mit Großkonzernen aufklären

Brüssel. Am Donnerstag soll per Beschluss der Fraktionschefs der Startschuss fallen: Das Europaparlament will mit einem Untersuchungsausschuss Licht in die dubiosen Steuervergünstigungen bringen, mit denen viele EU-Staaten um Multis buhlen und einander Einnahmen entziehen.

Die Einsetzung des Ausschusses, die vom Straßburger Plenum noch im Februar formell vollzogen werden soll, wäre ein politischer Erfolg für die Grünen. Sie haben die Initiative in Gang gesetzt und gegen beträchtliche Widerstände der informellen Großen Koalition aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale mehrheitsfähig gemacht.

Vor allem die christdemokratische Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) fürchtet, der Ausschuss könne zum Tribunal gegen Kommissionschef Jean-Claude Juncker werden. Der gehört als Mitglied der Luxemburger Christsozialen der EVP an. Als langjähriger Premier und Finanzminister des Großherzogtums steht Juncker unter Druck, seit im Herbst bekannt wurde, wie systematisch der Fiskus in seiner Heimat internationalen Großkonzernen mit Sondervereinbarungen („tax rulings“) behilflich war, ihre Steuerschuld auf Minimalsätze herunterzurechnen.

Doch der Ausschuss richte sich keineswegs persönlich gegen Juncker, versichert Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts. „Wir wollen nicht, dass daraus ein Schauprozess gegen Jean-Claude Juncker wird – uns geht es um den Ball, nicht um den Spieler!“ Es gelte einen Missbrauch aufzuklären, der auch in anderen Ländern gang und gäbe gewesen sei. Deswegen muss der Ausschuss nach den Vorstellungen der Grünen sowohl die Chefs großer Firmen wie Siemens oder BNP Paribas als Zeugen laden wie auch politisch Verantwortliche, zum Beispiel die Finanzminister der Niederlande und Belgiens.

Die Deals verstoßen womöglich nicht nur gegen das EU-Verbot wettbewerbsverzerrender Staatsbeihilfen. Darüber hinaus haben sich die EU-Mitgliedstaaten schon 1997 und 2011 verpflichtet, sich gegenseitig über bestimmte Steuervereinbarungen Mitteilung zu machen. Nämlich immer dann, wenn die Vorzugsbehandlung im Staat A zum Steuerausfall im Staat B führt oder wenn Verdacht besteht, dass ein Multi Gewinne zwecks Steuervermeidung konzernintern verschiebt. Nach Ansicht der Grünen geht aus Dokumenten der EU-Kommission hervor, dass sich die Mitgliedstaaten an diese Verpflichtung schlicht nie gehalten haben.

Noch ist allerdings unklar, wie genau das Mandat des Sonderausschusses aussehen soll. Lamberts argwöhnt, dass die großen Fraktionen versuchen, den Untersuchungsauftrag zu verwässern. Im Stab von Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) verweist man hingegen auf die noch nicht abgeschlossene Prüfung durch die Hausjuristen. „Die Grünen wollen daraus ein Fest machen … aber das muss technisch und juristisch alles korrekt sein.“