IS tötet erneut Geisel aus dem asiatischen Land. Kritiker machen die Politik von Regierungschef Abe mitverantwortlich für das Drama

Tokio. Japan ist tief geschockt. Die Nachricht von der brutalen Ermordung des japanischen Journalisten Kenji Goto durch die Terrormiliz IS löste am Sonntag Entsetzen in einer Nation aus, die sich jahrzehntelang als pazifistisch verstanden hat. Mit einem Schlag wurde vielen Japanern bewusst, dass ihr Land auch auf dem Radar des internationalen Terrorismus steht. In einem am Wochenende verbreiteten Video ist der Kriegsreporter Goto knieend in orangefarbener Kleidung zu sehen. Ein maskierter, mit einem Messer bewaffneter Mann steht neben der Geisel und macht die japanische Regierung für den Tod des Journalisten verantwortlich. Gleichzeitig droht er, die Tötungen seien nur der Beginn eines „Albtraums“ für Japan.

Schon als die Terrormiliz mit der Ermordung der beiden japanischen Geiseln Haruna Yukawa und Goto drohte, warfen Kritiker in Japan den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Shinzo Abe vor, mit seiner jüngsten Nahost-Reise und der Zusage humanitärer Hilfe für Länder, die vom IS betroffen sind, mitverantwortlich für das Geiseldrama zu sein. „Abes Rede im Nahen Osten war ohne Zweifel ein Auslöser“, schrieb der frühere japanische Botschafter im Iran, Ukeru Magosaki.Für den Nahost-Experten Akira Usuki von der Nihon-Joshi-Universität reichen die Hintergründe für das Geiseldrama jedoch weiter zurück. „Als die Geiselnahme erfolgte, dachte ich, es war sowieso nur eine Frage der Zeit, dass so etwas passiert“, zitierte ihn die Tageszeitung „Asahi Shimbun“.

In einem der Videos warf die Terrormiliz Japan die Teilnahme an einem „Kreuzzug“ vor. Damit, so meint Usuki, sei Japans Außenpolitik gemeint, seit der damalige Ministerpräsident Junichiro Koizumi im zweiten Golfkrieg Soldaten zur Unterstützung der USA in den „Krieg gegen den Terror“ Irak entsandt hatte.

Regierungschef Abe will die militärische Rolle Japans noch ausbauen. Dazu gehört eine Lockerung des jahrzehntelangen Verbots von Waffenexporten ebenso wie eine Neuinterpretation der pazifistischen Verfassung, damit Japan künftig in Konflikten an der Seite von Verbündeten, namentlich der USA, kämpfen kann. Welche Konsequenzen diese Politik haben kann, zeigt nach Meinung von Experten die Ermordung der Geiseln durch die Terrormiliz IS.