Griechenlands neuer Premier stellt sein Kabinett vor. Finanzminister für deutsche Hilfe

Athen/Brüssel. Die von der linksradikalen Syriza-Partei geführte neue griechische Regierung steht, und ganz Europa studiert gebannt die Namen auf der Kabinettsliste. Mit atemberaubender Schnelligkeit stand binnen Stunden nach der Wahl die neue Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel). Genauso schnell stand danach die Kabinettsliste. Schon am heutigen Mittwoch, weniger als drei volle Tage nach Verkündung des Wahlergebnisses, will Syriza-Chef Alexis Tsipras die erste Kabinettssitzung leiten.

Nur zehn Ministerien soll es künftig geben, statt wie bisher 19. Viele Minister sind namhafte Akademiker, einige davon brillieren mit provokanten Thesen. Da ist der neue Verteidigungsminister Panos Kammenos. Mit Phrasen wie die, das Deutschland von Neonazis regiert wird, oder dass Juden keine Steuern zahlen, dürfte er ein Dauergast in Europas Schlagzeilen werden. Kammenos ist der Chef des kleinen Koalitionspartners Anel.

Inhaltlich wichtiger ist der Komplex Wirtschafts- und Finanzpolitik. Giannis Varoufakis als neuer Finanzminister hat von sich reden gemacht, als er die EU-Rettungspolitik als „fiskalisches Waterboarding“ und damit als Folter bezeichnete. Aber auch seine beiden Stellvertreter Nantia Valavani und Kostas Mardas gelten als markante Intellektuelle. Mardas wird für Steuern zuständig sein, also nach bisheriger Darstellung der Parteipositionen die „Reichen“ jagen. Die Athener Börse quittierte die Nachricht mit Verlusten auf breiter Front.

Varoufakis skizzierte seine Vorstellungen. Er forderte von der EU, sich von der „reinen Sparpolitik“ gegenüber Griechenland zu verabschieden. „Wenn sich Europa einfach nur auf die bisherige Position zurückzieht und Syriza verteufelt, ist das kindisch.“ Nicht nur kindisch – es ist, Varoufakis zufolge, „Betrug. Brüssel hat sich vorgemacht, dass Griechenland mit Hilfe der Kredite aus dem Bankrott herauskommen könnte. Keine Bank auf der Welt hätte einem Kunden Kredite gegeben, wie sie Griechenland von seinen Gläubigern bekommen hat. Deshalb müssen wir das Tilgungsmodell für unsere Schulden neu verhandeln.“

Varoufakis wiederholte seine auch von Tsipras schon oft umrissene Überzeugung, man müsse „die Schuldentilgung an die Wachstumsrate koppeln“. Von einer solchen Vereinbarung würden ihm zufolge beide Seiten profitieren, sowohl Athen als auch der Rest Europas. Auch der deutsche Steuerzahler müsse ein Interesse daran haben, „dass Griechenland wieder auf die Beine kommt und in die Lage versetzt wird, irgendwann seine Schulden zurückzuzahlen. Sonst ist das gesamte, geliehene deutsche Steuergeld verloren.“ Die Betonung liegt freilich auf „irgendwann“. Was Varoufakis da umschreibt, würde in der Praxis bedeuten, dass Griechenland erst einmal gar nichts oder kaum etwas zurückzahlt.

Zugleich kündigte Varoufakis einen breiten Angriff auf Griechenlands wirtschaftliche und politische Elite an. Es gebe „eine unheilige Allianz zwischen den etablierten Parteien und privilegierten Schichten“, sagte er. Mit dieser „Klientelpolitik“ müsse Schluss sein, „sonst ist in Griechenland kein Neuanfang möglich. Auch der deutsche Steuerzahler sollte ein Interesse daran haben, dass eine neue Regierung in Griechenland Strukturreformen endlich angeht – es muss Schluss gemacht werden mit der Kleptokratie in Griechenland“. Es sei einer der größten Fehler der bisherigen „Rettungspolitik“ der Europäer, dass sie diese Klientelstrukturen nicht aufgebrochen, sondern die „Kleptokraten“ mit der Durchsetzung der Sparbeschlüsse betraut habe.

In diesem Ringen gegen die alten Eliten sei „eine der wichtigsten Aufgaben, Steuervermeidung und -Hinterziehung in Griechenland zu bekämpfen. Das Problem ist hier nicht die Gesetzeslage, sondern die Umsetzung, die Steuerermittlung und -eintreibung. Ich halte die bestehende Steuerbehörde für unreformierbar“. Varoufakis plädiert deshalb „für neue Strukturen aus unabhängigen Ermittlern, die nicht korrumpiert werden können. Dafür brauchen wir Hilfe von unseren europäischen Partnern. Ich heiße in diesem Zusammenhang herzlich die Hilfe aus Berlin willkommen“. Varoufakis forderte Deutschland auf, beim Kampf gegen Steuerbetrug zu helfen, statt „Kleptokraten zu unterstützen“.

Tsipras hat immer davon gesprochen, den Beamtenapparat und den öffentlichen Sektor wieder ausweiten und staatliche Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Sehr viel bedeckter klang dazu Varoufakis: „Die Strukturen sind derart aufgeblasen und verkrustet, Ineffizienz ist der größte Makel.“ Er plädiere deswegen dafür, den Bürgern „nach amerikanischem Vorbild das Recht einzuräumen, den Staat bei Fehlverhalten oder Korruption zu verklagen“.