Das FBI hebt russischen Spionagering aus. Die Agenten klagen über ihren öden Alltag, kleine Fische sind sie aber nicht

Washington. Vor ihren geheimen Rendezvous sprachen sie immer kurz am Telefon miteinander. Sie müssten sich treffen. Um Tickets, Bücher, Listen oder so profane Dinge wie einen Regenschirm oder einen Hut zu übergeben. Wenn sie sich dann tatsächlich trafen, wechselte eine Tüte, ein Magazin oder ein Stück Papier den Besitzer. Und, so meint das FBI-Büro für Spionageabwehr, auch vertrauliche Agenten-Informationen.

Passend zum sibirischen Wetter in New York haben die USA einen russischen Spionagering in der Stadt ausgehoben. Er soll laut Anklageschrift aus drei Personen bestanden haben: aus zwei Agentenführern, Igor Sporyshev, der offiziell in der russischen Handelsvertretung in New York arbeitet, und Victor Podobnyy, Attaché bei der diplomatischen Vertretung Russlands bei den Vereinten Nationen – sowie ihren Spion Evgeny Buryakov der unter einer zivilen Identität bei einer russischen Bank arbeitete. Laut seinem LinkedIn-Profil soll es sich dabei um die Vnesheconombank handeln, die auf der amerikanischen Sanktionsliste steht. Buryakov wurde am Montag in der Bronx festgenommen, während die anderen beiden Mitverschwörer diplomatische Immunität genießen und schon nach Russland zurückgekehrt sind.

Laut FBI haben die drei Männer tatsächlich für den russischen Auslandsgeheimdienst SWR gearbeitet. Auf die Schliche gekommen waren die Amerikaner ihnen schon im Jahr 2010, kurz nachdem sie eine zehnköpfige russische Schläferzelle ausgehoben hatten, die sogenannten Illegalen, zu denen auch Anna Chapman gehörte, die nach dem Austausch der Agenten in Russland sehr populär wurde und auch eine eigene TV-Show bekam. Anders als die Schläferzelle arbeitete der New Yorker Ring jedoch nicht für die geheime Abteilung S des SWR, sondern für die Abteilung ER, die auf Wirtschaftsfragen spezialisiert ist. Laut Ermittlungsbehörden sollte Buryakov vertrauliche Informationen über das amerikanische Finanzsystem weitergeben, über die Energiewirtschaft, über amerikanische Finanzsanktionen, und er sollte auch auskundschaften, wie man das amerikanische Finanzsystem destabilisieren könnte. „Dieser Fall ist besonders ungeheuerlich, weil er die Bemühungen eines ausländischen Geheimdienstes aufzeigt, einen geheimen Agenten in die amerikanische Gesellschaft einzuschleusen unter dem Deckmantel, ein Angestellter des Finanzsektors zu sein“, sagte Randall Coleman, stellvertretender Leiter der FBI-Spionageabwehr. Es ist bisher unklar, welchen Wert die Informationen tatsächlich hatten, die Buryakov weitergab. Aber manche der veröffentlichten Abhörprotokolle geben einen unfreiwillig komischen Einblick in das Agentenleben, das offenbar keineswegs so spannend ist wie in Agententhrillern oder Spionageromanen beschrieben. Das FBI hatte nämlich das „sichere Büro“ des SWR in New York verwanzt, in dem sich Sporyshev und Podobnyy regelmäßig trafen, um Dinge zu besprechen und Berichte an „Moscow Central“ zu übermitteln.

Einmal beschwerte sich Podobnyy darüber, dass er sich sein Agentenleben ganz anders vorgestellt habe. „Tatsächlich sitze ich hier jetzt mit einem Keks genau am wichtigsten Ort des Feindes. Fuck! Das ist nichts von dem, was ich mir damals ausgemalt habe, nicht mal nah dran, nicht wie in den Filmen mit James Bond“, sagte er. „Natürlich habe ich nicht gedacht, Helikopter zu fliegen, aber mindestens vorzugeben, jemand anderes zu sein schon.“

Sporyshev pflichtete ihm bei, er habe sich zumindest vorgestellt, mit einem falschen Reisepass ins Ausland zu gehen. Stattdessen arbeite er nun am Morgen an seinem offiziellen Bürojob in der Handelsvertretung und am Nachmittag im geheimen SWR-Büro. Beide trösten sich dann damit, dass nicht einmal die Schläferzelle, die für die Abteilung S gearbeitet hat, viel zuwege gebracht habe. Beide haben aber versucht, neben Buryakov noch andere Quellen zu akquirieren. So sollen sie sich bemüht haben, Studentinnen und Absolventinnen einer New Yorker Universität anzuwerben, haben damit aber offenbar wenig Erfolg gehabt. Sporyshev beschwerte sich darüber, dass mit weiblichen Quellen zu arbeiten, selten den gewünschten Ertrag bringe, weil es schwierig sei, nahe genug an sie heranzukommen, um Sex mit ihnen zu haben.

Buryakov scheint auch kein kleiner Fisch gewesen zu sein. Laut FBI hat er vorher schon in einem anderen Land als Agent gearbeitet, offiziell als Angestellter derselben Bank wie in New York. Dort ist er vom damaligen Chef der Wirtschaftsabteilung des SWR selbst besucht und dem Bankdirektor, der ebenfalls Agent war, als Spion der SWR vorgestellt worden. Buryakov hat während der Observation durch das FBI auch Informationen gesammelt für einen milliardenschweren Flugzeugdeal einer ausländischen Firma mit Russland, in dessen Folge auch der Bau von Flugzeugen innerhalb Russlands diskutiert worden war. Das zeigt, dass Russland den Geheimdienst routinemäßig auch für Geschäftsinteressen einsetzt.