US-Präsident hält alljährliche Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress

Washington. Nach der Niederlage seiner Demokratischen Partei bei den Kongresswahlen steckt US-Präsident Barack Obama in der Rede zur Lage der Nation den Kurs für seine verbleibenden zwei Jahre im Amt ab. „Der Präsident wird sich auf die wirtschaftliche Lage der Mittelschicht konzentrieren“, sagte Obamas Sprecher Josh Earnest vor der Rede in der vergangenen Nacht. Auch der Schutz vor Cyber-Angriffen sowie außenpolitische Themen wie der Kampf gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) und die Annäherung an Kuba dürften eine Rolle spielen. Earnest bekräftigte im Nachrichtensender CNN, dass Obama in der Rede Pläne für eine stärkere Besteuerung von Reichen vorstellen werde. „Der Präsident glaubt, dass es unserer Wirtschaft am besten geht, wenn sie aus der Mitte heraus wächst“, sagte er. Dem Weißen Haus zufolge soll ein Steuerschlupfloch geschlossen werden, durch das Wohlhabende geerbtes Vermögen am Fiskus vorbei in Treuhandfonds schleusen können. Außerdem sollen Kapitalerträge stärker besteuert und großen Finanzinstituten eine neue Gebühr auferlegt werden.

Insgesamt könnte der Staat so in den nächsten zehn Jahren 320 Milliarden Dollar (276 Milliarden Euro) mehr einnehmen. Mit dem Geld will Obama höhere Steuerfreibeträge für Familien aus der Mittelschicht finanzieren. Das zweijährige Studium an den Community College genannten Fachhochschulen soll für Studenten mit guten Noten kostenlos werden. Das Vorhaben des Präsidenten hat aber praktisch keine Chance, vom Kongress in ein Gesetz gegossen zu werden. Die Republikaner, die seit Jahresbeginn sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat kontrollieren, lehnen Steuererhöhungen ab. Die Republikaner müssten sich entscheiden, ob für sie Steuervergünstigungen für „Millionäre und Milliardäre“ wichtiger seien, sagte Earnest.

Obamas Umfragewerte haben sich seit den Tiefständen im vergangenen Herbst wieder etwas erholt. In einer am Sonntag veröffentlichten Erhebung des TV-Senders ABC und der „Washington Post“ zeigten sich 50 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden; 44 Prozent der Befragten gaben an, dass der Präsident einen schlechten Job mache. Die Arbeitslosenquote in den USA fiel im Dezember auf 5,6 Prozent, den niedrigsten Stand seit Juni 2008. Die Wirtschaft wächst so stark wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Allerdings kommt der Aufschwung bei vielen Amerikanern nicht an, deren Gehälter seit Jahren stagnieren.