Viele verlieren den Glauben daran, mit harter Arbeit aufsteigen zu können und dass es ihre Kinder einmal besser haben werden

Washington. Schaut man auf die Zahl der illegalen Einwanderer im Land, dann hat der amerikanische Traum nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt. Noch immer kommen die Armen und Aufstiegswilligen besonders aus Südamerika, um in den USA ihr Glück zu suchen. Allein im Lande selbst verliert der American Dream seit Jahren an Leuchtkraft. „Der amerikanische Traum entgleitet den Leuten aus den Händen“, sagt Elizabeth Warren, der neue Liebling der demokratischen Basis. Die Mittelschicht in Amerika von links bis rechts ist unzufrieden und zukunftsskeptisch geworden. Seit den 90er-Jahren sind die Löhne nicht gestiegen. Überhaupt ist der Traum vom Aufstieg von vielen Studien entzaubert worden. Demnach bieten inzwischen manche Länder in West- und Nordeuropa bessere Chancen, sich von unten nach oben hochzuarbeiten – Deutschland eingeschlossen. Ist der amerikanische Traum also ausgeträumt?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, geht man am besten zu Karlyn Bowman ins American Enterprise Institute im Zentrum Washingtons. Bowman ist die Umfrageexpertin des konservativen Thinktanks, und sie hat mit ihrem Team in den vergangenen fünf Jahren in alten und aktuellen Umfragen gewühlt, um herauszubekommen, wie sich die Einstellungen der Bürger zum amerikanischen Traum verändert haben. „Ich war überrascht, herauszufinden, dass in Umfragen vor 1986 nicht einmal nach dem American Dream gefragt wurde“, sagt Bowman. Und seitdem haben sich die Kriterien dafür kaum verändert. Weiterkommen durch Bildung und harte Arbeit, ein Haus zu besitzen und dass es die Kinder einmal besser haben sollen als man selbst, das sind die Konstanten.

Doch gerade die Zukunftshoffnung hat in den Krisenjahren stark abgenommen. Viele glauben nicht mehr daran, dass Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Im Jahr 1952 beantworteten noch 87 Prozent die Frage, ob es reichlich Chancen in Amerika gebe, mit Ja, im Jahr 2013 glaubten daran nur noch 52 Prozent. „Der Finanzcrash hatte einen enormen Einfluss auf Amerika“, sagt Bowman. „Angst ist normalerweise kein Gefühl, dass man in Meinungsumfragen besonders oft sieht, aber wir sahen ziemlich deutlich, dass die Leute 2008 und 2009 fürchteten, das Wirtschaftssystem werde zusammenbrechen.“ Seitdem sind die Bürger sehr pessimistisch über die Wirtschaft, bis heute.

Dabei sind die Ansprüche, die die Leute an den Traum stellen, relativ bescheiden. Zwar steht das eigene Haus weit oben bei den Zielen, weil man den Kindern etwas vererben will. Aber ansonsten rangieren Dinge wie „Reichtum“ oder „sich alles kaufen zu können, was man möchte“ ganz unten auf der Skala der Dinge, die die Amerikaner mit ihrem Traum verbinden. Die Amerikaner sind auch erstaunlich realistisch in finanziellen Dingen. Wenn man sie fragt, wie viel sie bräuchten, um gerade so durchzukommen, dann stimmen die Antworten in etwa mit der definierten Armutsgrenze überein. Fragt man nach dem, was nötig ist, um einigermaßen komfortabel zu leben antworten sie meistens mit einem Gehalt, das im Bereich des mittleren Einkommens in den USA liegt. Und um sich alle Träume zu erfüllen, reichen nach Antwort der meisten Amerikaner zwischen 100.000 und 200.000 Dollar im Jahr.

Amerikaner haben immer an Bildung als Mittel zum Aufstieg geglaubt. Doch die Uni-Gebühren sind in den vergangenen Jahrzehnten geradezu explodiert. Und das öffentliche Schulsystem scheint kaum noch in der Lage zu sein, die Unterschiede in den Startchancen der Schüler auszugleichen, damit auch Kinder aus unterprivilegierten Haushalten eine Chance bekommen. Laut einer Studie der Southern Education Foundation haben inzwischen mehr als 50 Prozent der Kinder in öffentlichen Schulen Anspruch auf ein subventioniertes Mittagessen, kommen also aus armen Familien. Und da öffentliche Schulen weitgehend aus lokalen Steuern finanziert werden, gibt es einen enormen Unterschied in der Qualität der Schulen zwischen wohlhabenden Gebieten und den Armenvierteln. „Der Aufzug für den Aufstieg hat für viele Amerikaner einfach angehalten“, sagte etwa Darren Walker der „Washington Post“. Walker ist Präsident der Ford Foundation und hat es selbst einst geschafft, durch Bildung aus schwierigen Familienverhältnissen aufzusteigen. „Wir müssen diesen Aufzug reparieren“, fordert er. Seit Anfang 2000 ist die Hoffnung der Jungen, dass es ihnen einmal besser gehen wird als ihren Eltern, von 72 auf 42 Prozent gesunken. Ihre Eltern sind noch pessimistischer. Nur 20 Prozent glauben, ihre Kinder hätten heute bessere Chancen, als sie selbst einst hatten. Und das hat vor allem mit persönlichen Erlebnissen zu tun. „Noch immer sagen etwa 60 Prozent der Amerikaner, dass sie jemanden im Familien- oder Bekanntenkreis kennen, der seit 2008 den Job verloren hat“, weiß Umfrageexpertin Bowman. „All diese Dinge, wie etwa auch die Einkommen, die nicht steigen, sind eine ziemlich ungewöhnliche Erfahrung für Amerika, und es macht mir Sorgen, welche langfristigen Folgen das für den amerikanischen Traum haben wird.“

Aber das Bild ist eben nicht nur düster, es weist auch Grauschattierungen auf. So rangiert die Zahl derjenigen, die für sich sagen, den Traum schon verwirklicht zu haben, stabil zwischen 30 und 40 Prozent. Diese Zahl ist bei den oft zur Unterschicht gehörenden Hispanics und den Schwarzen naturgemäß geringer (2013 je 30 und 21 Prozent). Dafür glauben aber 56 Prozent der Hispanics und 60 Prozent der Schwarzen, die noch nicht an das Ziel ihrer Träume gekommen sind, dass sie ihren amerikanischen Traum irgendwann doch noch erreichen werden. „Der amerikanische Traum ist lädiert und angeschlagen“, sagt Bowman, „aber er ist immer noch lebendig.“