Amedy Coulibaly posiert mit Gewehr – Fahndung nach Freundin

Paris. Amedy Coulibaly, der nach der Überzeugung französischer Ermittler für die tödliche Geiselnahme in einem jüdischen Lebensmittelgeschäft in Paris verantwortliche Attentäter, hat in einem Video seine Loyalität zur Terrormiliz IS erklärt und die Verantwortung für den Angriff übernommen. Die Gruppe Site, die Online-Seiten von Terrororganisationen beobachtet, erklärte am Sonntag, man habe ein siebenminütiges Video ausgewertet, das zeige, wie der bei der Bluttat am Freitag getötete Coulibaly vor einem Emblem des IS einen Vortrag halte und eine Waffe trage.

Er habe zudem die Angriffe auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und die Polizei verteidigt, hieß es. Am Freitag hatte Coulibaly in einem Laden für koschere Lebensmittel im Osten von Paris mehrere Geiseln genommen. Er soll vier von ihnen und auch eine Polizistin am Vortag erschossen haben. Die Staatsanwaltschaft stellte am Sonntag zudem eine Verbindung zwischen Coulibaly und den Schüssen auf einen 32-jährigen Jogger am Mittwochabend im Großraum Paris her. Es habe einen Abgleich der am Ort des Angriffs auf den Jogger gefundenen Patronenhülsen mit der Tokarew-Pistole gegeben, die nach der Geiselnahme am Freitag in einem jüdischen Supermarkt in Paris entdeckt worden war, erklärten die Ermittler.

Coulibalys Lebensgefährtin Hayat Boumeddiene ist nun die meistgesuchte Frau Frankreichs. Sie soll das Land jedoch bereits am 2. Januar wahrscheinlich Richtung Türkei verlassen haben und von dort weiter nach Syrien gereist sein. Zunächst hatte die französische Polizei die junge Frau verdächtigt, an dem Mord an einer Polizistin am Donnerstag in Paris beteiligt gewesen zu sein. Nun wird sie als mögliche Unterstützerin gesucht.

Coulibaly forderte während der Geiselnahme in dem Supermarkt Freiheit für die Brüder Kouachi, die das Blutbad bei „Charlie Hebdo“ angerichtet und sich zur al-Qaida im Jemen bekannt hatten. Diese waren zu diesem Zeitpunkt von der Polizei umzingelt. Bei nahezu zeitgleichen Zugriffen der Polizei wurden die drei Attentäter getötet.

„Was wir machen, ist komplett legitim, wenn man bedenkt, was sie (die Feinde) tun“, sagt Coulibaly in dem Video. „Ihr könnt nicht angreifen und dafür keine Vergeltung erwarten. So spielt ihr das Opfer, weil ihr nicht versteht, was passiert.“ Am Ende des Videos rief er andere auf, ebenfalls ähnliche Angriffe auszuführen.

Nach der Terrorserie mit 17 unschuldigen Todesopfern und drei toten Attentätern werden in Frankreich nun zunehmend Fragen über die Rolle der Geheimdienste laut: Hätte die blutige Anschlagsserie verhindert werden können? Kann so etwas wieder vorkommen? Kritik wird laut an den Sicherheitsdiensten, denn die Attentäter waren den Behörden bekannt. Doch die französischen Geheimdienste sind zunehmend überfordert von der Masse an verdächtigen Islamisten, deren Absichten schwer zu durchschauen und deren Gefährlichkeit schwer einzuschätzen ist.

Premierminister Manuel Valls sagte schon am Freitagabend: „Natürlich gibt es Schwachstellen. Wenn es 17 Tote gibt, dann bedeutet das, dass es Schwachstellen gab.“ Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Marvin Hier, sprach gar von einem „Desaster“ für die französischen Geheimdienste.

Tatsächlich schlugen keine Unbekannten zu. Die Kouachi-Brüder und Coulibaly waren als Extremisten aufgefallen. Offenbar aber hatten die Sicherheitsbehörden die Gefährlichkeit und Entschlossenheit der Männer unterschätzt. Dauerhaft überwacht wurde der Islamist offenbar nicht.

Die Überwachung mutmaßlicher Islamisten ist für die Sicherheitsbehörden ein riesiges Problem: Tausende gehören in Frankreich der radikalislamischen Szene an. Hunderte wollen zum Dschihad reisen, kämpfen dort oder sind kampferprobt nach Frankreich zurückgekehrt. „Wir können nicht hinter jeden Verdächtigen einen Polizisten stellen“, sagt ein Anti-Terror-Experte. „Also setzten wir Prioritäten – und riskieren dabei, uns zu täuschen.“