Seit der Niederlage bei der Parlamentswahl im November hat der US-Präsident wichtige Projekte durchgedrückt, seine Umfragewerte steigen

Washington. Anfang November hatte US-Präsident Barack Obamas Demokratische Partei eine verheerende Wahlschlappe eingefahren und den Senat an die Republikaner verloren. Eine Niederlage, die vor allem dem Präsidenten angelastet wurde, dessen Zustimmungsrate damals 44 Prozent betrug, während 55 Prozent der Wähler mit seiner Arbeit unzufrieden waren. Doch seitdem wirkt Obama fast wie befreit. Statt zur sogenannten lahmen Ente zu werden, wie viele es für die letzten zwei Jahre seiner Präsidentschaft vorhergesagt hatten, hat Obama starke neue Akzente gesetzt und seine präsidialen Machtbefugnisse sehr weitgehend ausgelegt – etwa bei der Einwanderungspolitik und der Wende gegenüber Kuba.

Als Obama sich am Tag nach der verlorenen Wahl mit seinen Vertrauten im Weißen Haus traf, versuchte er, sie mit einer Parallele aus dem Basketball aufzumuntern: „Wir sind im letzten Viertel, und im letzten Viertel passieren interessante Dinge.“ Offenbar hatte er da schon eine neue Spieltaktik im Kopf. Zwar bot Obama den Republikanern Zusammenarbeit im Geist der Überparteilichkeit an. Getan hat er dann aber etwas anderes. Sowohl sein hart am Rand der Verfassung balancierender Abschiebestopp für Millionen von illegalen Einwanderern als auch die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba hat die Republikaner vor den Kopf gestoßen.

Obama hat damit das Heft des Handelns in die Hand genommen und den Konservativen erhebliches Kopfzerbrechen bereitet. Die wollten sich dem Wähler in den kommenden Jahren nicht mehr als Totalverweigerer, sondern als pragmatische Kraft präsentieren, die Probleme löst. Wie aber sollen sie dem Präsidenten in den Arm fallen, wenn sie gelobt haben, die verheerendste Waffe im Arsenal des Parlaments – die Weigerung, die Regierung weiter zu finanzieren – nicht mehr einzusetzen? Zumal die Republikaner derzeit feststellen müssen, dass es einfacher ist, Wahlen zu gewinnen, als diesen Sieg dann auch in praktische Politik mit vertrauenerweckendem Personal zu übersetzen. Noch hat sich der neue, von den Republikanern beherrschte Kongress nicht konstituiert, und schon muss die Parteiführung sich als Krisenfeuerwehr betätigen.

So musste John Boehner, Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, den Abgeordneten Michael Grimm aus dem Staat New York zum Rücktritt zwingen, weil dieser Steuern hinterzogen hatte. Gleichzeitig versucht die Parteiführung gerade, einen weiteren Skandal einzudämmen: Die Nummer drei der Republikaner im Abgeordnetenhaus, der Konservative Steve Scalise aus Louisiana, musste zugeben, 2002 auf einer Veranstaltung weißer Rassisten gesprochen zu haben. Dabei hat die Parteiführung auch ohne dieses Krisenmanagement schon genug damit zu tun, die Politikvorstellungen des Parteiestablishments mit denen der rebellierenden Tea-Party-Fraktion zu versöhnen und eine einheitliche Linie herzustellen.

Während die Republikaner also derzeit mit den Mühen der Ebenen beschäftigt sind, bekommt der Präsident von anderer Seite neuen Schub. Das Wirtschaftsministerium konnte verkünden, dass das Bruttosozialprodukt im dritten Quartal um sagenhafte fünf Prozent gewachsen war, so viel wie seit elf Jahren nicht mehr. Zum Jahresende gibt es nun Anzeichen dafür, dass sich auch die Stimmung der Bevölkerung aufhellt. Wie eine Gallup-Umfrage ergab, sind nun zum ersten Mal seit dem Beginn der Wirtschaftskrise im Dezember 2007 wieder mehr Amerikaner positiv eingestellt, was die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten anbelangt.

Entsprechend sind auch Obamas Zustimmungswerte deutlich gestiegen. Wie eine Umfrage nach Weihnachten ergeben hat, liegen die inzwischen wieder bei 48 Prozent, so hoch wie seit August 2013 nicht mehr. Ebenfalls 48 Prozent sind aber weiter nicht mit dem Präsidenten zufrieden. Laut Gallup-Chefredakteur Frank Newport ist der Aufschwung derzeit vor allem auf die Latinos zurückzuführen, die Obamas Einwanderungserlass begrüßen. Auch die neue Kuba-Politik hat vielleicht eine Rolle gespielt. „Manches davon mag eine Art Weihnachtshoch sein, das mit der Geberlaune der Amerikaner um und während der Weihnachtszeit zu tun hat“, schreibt Newport.

Im neuen Jahr will Obama mit den Republikanern zusammen eine Vereinfachung des Steuersystems erarbeiten. Es sieht aber auch danach aus, als fühlte er sich befreit davon, Rücksicht auf die eigene Partei zu nehmen. Das Weiße Haus versucht seit Wochen, eine große Freihandelskoalition zu schmieden, und wirbt sowohl bei Unternehmerverbänden als auch im Kongress für den Abschluss von Handelsabkommen mit den asiatischen Pazifikanrainern (TPP) und mit Europa (TTIP). Damit legt sich Obama mit den Freihandelsgegnern in seiner eigenen Partei und der linken Basis an, die die Abkommen der vergangenen zwei Jahrzehnte für Jobabbau in Amerika und die stagnierenden Einkommen der Mittelschicht verantwortlich machen.

Ob es Obama gelingt, den Schwung der letzten zwei Monate ins neue Jahr mitzunehmen und noch einiges vor dem Ende seiner Amtszeit zu bewegen, hängt vor allem von ihm selbst ab. Denn die Überzeugungsarbeit seiner Regierung wird nur erfolgreich sein, wenn der Präsident seinen Hang zur Selbstisolierung im Weißen Haus überwindet. Und wenn er persönlich um republikanische und demokratische Abgeordnete wirbt, um beim Freihandel oder beim Thema Steuererleichterung Kompromisse und Ergebnisse zu erzielen.