Das Tauwetter zwischen den USA und Kuba ist vor allem für die Sozialisten auf der Karibik-Insel mit Risiken verbunden. Die Exilgemeinde in Florida ist wütend

São Paulo. Es ist das beherrschende Thema in Lateinamerika. Fast geschlossen bejubelt der Kontinent die angekündigte Annäherung zwischen den USA und Kuba – sogar die US-kritischen linken Staatschefs. „Ein Tag voller guter Nachrichten“, freute sich Ecuadors Präsident Rafael Correa via Twitter. Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff sprach von einer „fantastischen“ Nachricht, und ihr kolumbianischer Amtskollege, der Konservative Juan Manuel Santos, jubelte: „Im Namen des ganzen Kontinents feiern wir die Kühnheit und den Mut von Präsident Obama und der kubanischen Regierung.“

US-Präsident Barack Obama kündigte am Mittwoch nach 53 Jahren einen Kurswechsel in der Kuba-Politik an. „Es ist nicht einfach“, sagte er auf Spanisch. Dennoch: „Todos somos americanos – Wir sind alle Amerikaner.“ Dafür zollte ihm auch Kubas sozialistischer Staatschef Raúl Castro im Staatsfernsehen Respekt. Beide Länder kündigten Verhandlungen über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen an, die seit 1961 unterbrochen sind. Seit 1962 gilt außerdem ein US-Handelsembargo gegen den Karibik-Staat.

Kritik am neuen Tauwetter erntet der Demokrat Obama vor allem im eigenen Land. Im mehrheitlich republikanisch dominierten US-Parlament positionieren sich schon die Gegner, vor allem Exilkubaner, die einst vor den Kommunisten geflüchtet sind, machen mobil. Der kubastämmige Abgeordnete Marco Rubio sprach von einem unerklärlichen Schritt und der Legitimierung einer Diktatur. Er kündigte wie andere Parteifreunde sein Veto gegen die Annäherung an. In Miami protestierten wütende Exilkubaner, die in Florida eine entscheidende Wählergruppe sind, gegen den Entspannungskurs. Obama, in Pragmatismus geübt, ist mit der Ankündigung einen ersten Schritt gegangen, um seinem Land wieder zu mehr Geltung bei den südlichen Nachbarn zu verhelfen. Durch den über zehn Jahre anhaltenden Linksschwenk auf dem Kontinent gerieten die USA immer mehr in die Isolation, während Kuba sich der Solidarität wichtiger Partner wie Brasilien sicher sein konnte. Auch in Europa stieß das Embargo zunehmend auf Unverständnis. Der Beginn von Verhandlungen für ein EU-Kuba-Abkommen vor einem halben Jahr war denn auch ein Affront gegen die USA.

Die Öffnung ist aber vor allem für Kuba mit Risiken verbunden. Der Druck auf Reformen wächst. Kuba hat eine vorsichtige Wirtschaftsliberalisierung zugelassen und staatlich-private Projekte mit ausländischen Investoren erlaubt. Immer noch muss alles, was über den täglichen Bedarf hinausgeht, mit dem konvertiblen Peso (CUC), der an den US-Dollar gebunden ist, bezahlt werden. Für die meisten Kubaner ist das praktisch unmöglich, da ein CUC 24 staatliche Peso kostet. Und die Ausrede, der Mangel sei vor allem dem US-Embargo geschuldet, wird nicht mehr lange gelten können.

Auch bei der Presse- und Meinungsfreiheit gerät die Staatsführung unter Handlungszwang. Mehr Reisen von Kubanern werden möglich sein, getrennte Familien zusammenkommen. Gerade erst hatte die kubanische Menschenrechtsorganisation CCDHRN eine Zunahme von politisch motivierten Verhaftungen beklagt. So wurden von November 2013 bis Dezember dieses Jahres 8410 Menschen wegen politischer Motive kurzzeitig festgehalten.

Doch nach der Ankündigung Obamas stehen beide Seiten unter Handlungszwang, einen der längsten politischen Konflikte in der Welt zu beenden. Und so könnte es auf dem nächsten Amerika-Gipfel im April in Panama zu einer Wiederholung des ersten legendären Signals eines Umdenkens der USA kommen. Vor einem Jahr reichte Obama auf der Trauerfeier für Nelson Mandela Raúl Castro die Hand und versetzte damit die Welt in Staunen.