Der neue Ratspräsident Donald Tusk will die Treffen effektiver gestalten

Brüssel. Mancher hat es geahnt: Auf EU-Gipfeln wird viel geredet und wenig erreicht. Jetzt ist es quasi offiziell, bestätigt von niemand Geringerem als dem Chef der Veranstaltung. Natürlich hat Donald Tusk, der neue Präsident des Europäischen Rats, die gewohnten Endlosdebatten nicht direkt mit Kritik überzogen. Aber er krempelt die Routineprozedur kräftig um, und seine Mitarbeiter erläutern unmissverständlich, warum: „Weil wir die Nebensächlichkeiten loswerden wollen – da wurde immer lange geredet, ohne Resultate zu erzielen.“ Von jetzt an gilt das Motto: schlanker, effektiver, politischer.

Sinnfälligster Ausdruck der neuen Philosophie ist die von Tusk eröffnete Option, die zweite Hälfte der Beratungen ganz zu streichen. Für den gestrigen Donnerstag hatte der ehemalige polnische Ministerpräsident zwei Themen-Blöcke auf die Agenda gesetzt: Belebung der europäischen Wirtschaft durch das Investitionsprogramm des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (nachmittags) und Kursbestimmung im Ukraine-Russland-Konflikt (abends). Am Freitag könne man dann noch andere Angelegenheiten diskutieren, schrieb er in seiner Einladung an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die anderen Staats- und Regierungschefs – „wenn es nötig ist“. Er selbst hält es für unnötig. Er ging nach Auskunft seiner Adjutanten mit der Absicht in die Gespräche, diese spätestens um Mitternacht zu beenden. Mit einer gerade mal vier Seiten langen Abschlusserklärung. Letztes Jahr waren es noch 26 Seiten.

Ein Erfolg wird der neue Minimalismus freilich nur, wenn die Beschränkung der Menge mit einer Verbesserung der Ergebnisse einhergeht. Dafür sind die Chancen bei Tusks Jungfern-Gipfel nicht eben glänzend. Der große Investitionshebel, mit dem Juncker 315 Milliarden Euro für die Infrastruktur, Zukunftstechnologien, Bildung und den kreativen Mittelstand mobilisieren will, ist über allgemeine Ankündigungen noch nicht hinausgekommen.

Gleichfalls noch nicht entscheidungsreif sind die strategischen Perspektiven des Verhältnisses zu Russland. Als Pole argwöhnisch gegenüber der einstigen Ostblock-Vormacht, muss Tusk nun einen gemeinsamen Kurs mit Regierungen abstecken, die vor zu viel Härte gegen Wladimir Putins Großmachtpolitik warnen. Die Sanktionen wirken, offenbar sogar kräftiger als erwartet – aber was heißt das? Weitermachen, um Putin zu politischen Zugeständnissen zu zwingen? Oder Zurückhaltung üben, um Moskau nicht in die Isolation und womöglich zu irrationalen Reaktionen zu treiben? Weil die Sanktionen befristet sind, muss im Frühjahr über Verlängerung befunden werden. Darauf will Tusk die EU-Staaten rechtzeitig einstellen.