Tokio. Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe kann nach der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag auf eine Zweidrittelmehrheit seiner Regierungskoalition im Abgeordnetenhaus bauen. Getrübt wird ihr Erfolg aber durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. Darin spiegelt sich die Skepsis vieler Wähler gegen Abes Wirtschaftspolitik wider, mit der er Japan aus der Stagnation führen will. Ersten Ergebnissen zufolge erhält das Bündnis aus Liberaldemokraten (LDP) und der kleinen Komeito-Partei mehr als die Zweidrittelmehrheit von 317 der 475 Sitze im Abgeordnetenhaus. Die oppositionelle Demokratische Partei dürfte etwas mehr als die bislang 62 Sitze erhalten, aber unter den angestrebten 100 Mandaten bleiben.

Die Wahl war erst 2016 fällig gewesen. Doch der Ende 2012 an die Macht gelangte Abe nutzte angesichts guter Umfragewerte die Gunst der Stunde und zog die Abstimmung vor. Der, entgegen dem Namen seiner Partei, rechtskonservative Regierungschef war mit dem Ziel angetreten, die seit Jahren vor sich hin dümpelnde Wirtschaft wieder in Schuss zu bringen: Die Notenbank flutete die Märkte mit billigem Geld. Abe versprach, mit einer gezielten Ausgabenpolitik und Strukturreformen zusätzliche Impulse zu setzen. Dieser Maßnahmen-Mix wurde als „Abenomics“ bekannt.

Ein konjunktureller Durchbruch blieb aber aus. Infolge einer Mehrwertsteuer-Erhöhung im April rutschte Japans Wirtschaft im dritten Quartal wieder in die Rezession. Eine zweite Anhebung der Mehrwertsteuer soll daher verschoben werden. Das nährt die Sorge, wie Japan seine immense Staatsverschuldung in den Griff bekommen soll. Der Schuldenberg ist mit 6,7 Billionen Euro weit mehr als doppelt so hoch wie die Wirtschaftsleistung. Kein anderes Industrieland hat eine so große Schuldenlast. Verschärft wird das Problem durch die rasch alternde Gesellschaft und steigende Sozialkosten. Ein Viertel der Bevölkerung ist älter als 65 Jahre, 2050 werden es fast 40 Prozent sein.

Angesicht dieser Probleme könnte Abe seinen Wahlsieg nach Ansicht politischer Beobachter nutzen, um seine konservative politische Agenda in den Vordergrund zu rücken. Dazu gehört, die Fesseln der pazifistisch ausgerichteten Verfassung zu lockern. Einige Experten erwarten, dass Abe künftig deutlich nationalistischere Töne anschlagen könnte.