Menschen in der Ostukraine leiden. Bange Frage: Wie lange hält die neue Feuerpause?

Donezk. Das Leben Tausender Menschen im Konfliktgebiet Donbass spielt sich seit Wochen in den zu Bombenschutzbunkern umfunktionierten Kellerräumen ab. Zu groß ist auch bei den stets brüchigen Waffenruhen die Angst der Bewohner in den Regionen Donezk und Lugansk. Seit Monaten stehen ihre Wohnviertel unter Beschuss. „Die meisten, die noch da sind, sind keine jungen Leute mehr, vielmehr Leute, die keinen anderen Ausweg haben und weiter in völlig unmenschlichen Verhältnissen leben“, sagt Tatjana Lokschina, russische Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).

Eine vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ausgerufene Waffenruhe hat vorerst zu einer Beruhigung der Lage in der Ostukraine geführt. Die für Dienstag erklärte Feuerpause werde eingehalten, teilten die Aufständischen im Gebiet Lugansk mit. Dennoch berichteten beide Seiten von einzelnen Verstößen. Trotz einer Anfang September von den Konfliktparteien vereinbarten Waffenruhe war in der Ostukraine auch zuletzt fast jeden Tag gekämpft worden. Dabei wurden mehr als 1000 Menschen getötet. Am Donnerstag oder Freitag könnten neue Gespräche der Konfliktparteien in der weißrussischen Hauptstadt Minsk stattfinden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat derweil vor einer wachsenden „Entfremdung“ zwischen der EU und Russland gewarnt. „Dauerhafte Sicherheit in Europa wird es nur mit und nicht gegen Russland geben“, sagte er in einer Rede an der Universität der russischen Stadt Jekaterinburg. Langfristige Sicherheit in Russland sei allerdings ebenfalls nur mit Europa möglich – nicht gegen Europa.

Wie lange die jetzt verhängte neue Feuerpause hält, mag freilich niemand voraussagen. Zivilisten würden extrem leiden. Es gebe weder Wasser noch Strom noch Gas, berichtet HRW-Mitarbeiter. Stellenweise arbeiten Suppenküchen, um die Menschen bei winterlichem Wetter zu ernähren. Immer wieder schickt auch Russland in Lastwagen tonnenweise Hilfsgüter, darunter Trinkwasser, Lebensmittel und Arznei. Von einer möglichen Entspannung mag dennoch niemand sprechen – auch weil der harte Winter erst noch bevorsteht.

Als besonders schwierig gilt jedoch die Lage für Tausende Rentner. Allein in der ehemaligen Millionenstadt Donezk sollen sich noch mehr als 200.000 von ihnen aufhalten. In Fernsehberichten empören sie sich darüber, ein ganzes Leben lang in der Ukraine gearbeitet zu haben und nun ohne Rente dazustehen. „Für Bomben und für Waffen haben sie Geld“, meint ein Mann in Donezk mit Blick auf die umstrittene Anti-Terror-Operation der Regierung in Kiew.

Hoffnung auf einen Frieden mit Kiew hat kaum jemand. Poroschenko kündigte erst vor wenigen Tagen an, Truppen in der Ostukraine neue Panzer und Hubschrauber sowie weitere Kriegstechnik zu schicken. Schon die ersten beiden Feuerpausen standen stets im Ruf, nur einem Ziel zu dienen: sich frisch aufzustellen und Kraft für neue Kämpfe zu sammeln.