Paris. Mit ihrem Reformaufruf an Frankreich hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine scharfe Attacke aus dem Nachbarland eingehandelt. „Maul zu, Frau Merkel. Frankreich ist frei“, twitterte der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon auf Deutsch. Der sozialistische Finanzminister Michel Sapin betonte, seine Regierung setze ihre Reformen für Frankreich um – und „nicht, um diesem oder jenem europäischen Politiker eine Freude zu machen“.

Merkel hatte in der „Welt am Sonntag“ die bisherigen Reformanstrengungen in Frankreich und Italien als unzureichend eingestuft. Die EU-Kommission habe „deutlich gemacht, dass das, was bis jetzt auf dem Tisch liegt, noch nicht ausreicht“, sagte Merkel und hob hervor: „Dem schließe ich mich an.“

In seiner Twitter-Botschaft forderte Mélenchon Merkel dazu auf, sie solle sich besser um die „Armen“ in ihrem eigenen Land und um die ruinierte Infrastruktur in Deutschland kümmern. Der 63-Jährige hatte bereits mehrfach scharfe Kritik an der Politik der Kanzlerin geübt. So warf er ihr eine „engstirnige und sehr dogmatische Politik“ vor. Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte am Montag zu Mélenchons Botschaft: Für den französischen Politiker gelte die Meinungsfreiheit. „Ansonsten könnte man sich fragen, ob eine andere, freundlichere Formulierung möglich gewesen wäre.“ Es handele sich um „keinen ernsthaften Beitrag zur Debatte, wie wir alle den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten“. Seibert betonte, es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, von einem Nachbarland „konkrete Reformen“ zu verlangen. „Das tun wir auch nicht.“ Vielmehr sei die EU-Kommission dafür zuständig, dass das europäische Regelwerk „glaubwürdig angewandt wird“.

In Deutschland wird befürchtet, dass das wirtschaftlich angeschlagene Frankreich wichtige Reformen nicht umsetzt und nicht genug unternimmt, um das Staatsdefizit abzubauen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte jüngst darauf verzichtet, Strafen gegen Frankreich und Italien zu verhängen, obwohl diese die EU-Stabilitätsvorgaben nicht einhalten.