Minderheiten dürfen nicht länger unter Generalverdacht gestellt werden

Washington. Als Ende der 90er- Jahre in New York die beinharte „Null Toleranz“-Politik des damaligen Bürgermeisters Rudy Guiliani für einen drastischen Rückgang der Kriminalität gesorgt hatte, erreichte gleichzeitig die Zahl der Beschwerden über ausufernde Polizeigewalt Höchststände. William Bratton war damals wie heute Polizeichef der Millionenmetropole, die seit dem Fall Eric Garner (neben Ferguson, Cleveland, Phoenix und anderen Städten) im Feuer der Kritik steht. Dass ein Polizist straffrei ausgeht, der einen unbewaffneten Schwarzen wegen einer Nichtigkeit auf offener Straße zu Tode würgt, hat den Nerv vieler Amerikaner getroffen. Kurz darauf wurde bekannt, dass der 28-jährige Akai Gurley, ebenfalls schwarz, im Stadtteil Brooklyn „aus Versehen“ erschossen wurde. Der Polizist Michael Lang hat sich in einem dunklen Hausflur gefürchtet.

Mit jeder tödlich endenden Begegnung zwischen Ordnungsmacht und gesellschaftlichen Minderheiten (Schwarze, Latinos, Obdachlose) schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in die, die sie schützen sollen, ein Stück mehr, sagt Brattons neuer Vorgesetzter. Bürgermeister Bill De Blasio will die 35.000 Cops im „Big Apple“ mithilfe eines 35 Millionen Dollar teuren Programms umerziehen. Die Beamten sollen neu lernen, heißt es in City Hall, „wie man auf der Straße auftritt, mit Bürgern spricht, Tatverdächtige behandelt und heikle Situationen ohne den tödlichen Gebrauch der Schusswaffe entschärft“.

Fast 90 Prozent der von Polizisten kontrollierten Bürger waren unschuldig

Auf Anweisung des früheren Bürgermeisters Michael Bloomberg praktizierte das NYPD wie keine andere Polizeibehörde im Land die Strategie des „Stop & Frisk“. Nach dem Prinzip des „racial profiling“, das Schwarze und andere Minderheiten potenziell als verdächtig und kriminell annimmt, wurden pro Jahr trotz sinkender Kriminalitätsraten Hunderttausende meist jüngere Afroamerikaner und Latinos (aber kaum Weiße) in New York verdachtsunabhängig auf der Straße angehalten, durchsucht und erkennungsdienstlich behandelt. Fast 90 Prozent von ihnen waren unschuldig.

Wer einmal Augenzeuge einer solchen Demonstration der Demütigung wurde, kann verstehen, warum afroamerikanische Mütter ihren Söhnen einbläuen, sich in solchen Situation niemals zu wehren. Polizeierzeugter Handlungsdruck“, sagt Brian Buchner, Chef einer Organisation, die das Verhalten der Polizei analysiert, ist das häufigste Problem in Einsätzen, die tödlich enden. Wer das Gegenteil will, müsse nicht nur Techniken erlernen, die deeskalieren, sondern einen Sinneswandel einleiten, der Schwarze nicht unter Generalverdacht stellt und den Griff zur ultimativen Gewalt zur einer Art Gewohnheitsrecht werden lässt.