Proteste in New York: Jury verzichtet auf Anklage gegen Polizisten, der einen Schwarzen erstickt hat

New York. Nach Ferguson jetzt also New York. Eine Woche nach den schweren Ausschreitungen in der Stadt in Missouri hat eine weitere Entscheidung einer Geschworenen-Jury zu heftigen Protesten geführt. Diesmal ging es um den Fall des schwarzen Familienvaters Eric Garner, der im Juli dieses Jahres im Stadtbezirk Staten Island von einem weißen Polizisten bei seiner Festnahme in den Würgegriff genommen wurde und wenig später daran gestorben war. Wie in Ferguson, wo ein weißer Polizist einen schwarzen Jungen erschossen hatte, entschied auch diesmal eine Jury, dass der Beamte straffrei bleibt und nicht vor ein Gericht gestellt werden kann. Nach Aussage des Staatsanwalts von Staten Island, Daniel Donovan, sahen die Jurymitglieder „keinen hinreichenden Grund für eine Anklageerhebung“. Weitere Details zur Begründung der Entscheidung gab der Ankläger nicht bekannt.

Der 43 Jahre alte Garner war am 17. Juli in einem Park nahe der Staten-Island-Fähre von der Polizei kontrolliert und später festgenommen worden. Die Beamten warfen dem sechsfachen Familienvater vor, illegal steuerfreie Zigaretten verkauft zu haben. Wie auf einem späteren Video eines Passanten zu hören ist, bestritt Garner diesen Vorwurf allerdings vehement. „Ich habe nichts verkauft“, sagte er auf dem kurzen Film. „Ich mache hier nur mein Ding, Officer. Bitte lasst mich einfach in Ruhe.“ Doch die Beamten ließen nicht locker. Sie wollten den mutmaßlichen Zigarettenhändler festnehmen und versuchten, ihm Handschellen anzulegen. Garner wehrt sich dagegen und ruft: „Fasst mich nicht an!“ Gewalttätig wurde er jedoch nicht.

Der Polizist Daniel Pantaleo packte Garner daraufhin von hinten und legte ihm seinen Arm um den Hals. Ein Haltegriff, der in New York für die Polizei verboten ist. Das weiß eigentlich auch Pantaleo, der wegen seines brutalen Vorgehens in anderen Fällen bekannt ist. Doch der Beamte kümmerte sich nicht um die Vorschrift, zog Garner, der deutlich größer und schwerer war als der Polizist, nach unten und drückte dessen Kopf auf den Boden. „Ich kann nicht atmen. Ich kann nicht atmen“, stieß der an Asthma leidende Garner keuchend hervor. Dann verlor er das Bewusstsein und starb wenig später an den Folgen des Einsatzes. Das Video zeigt die folgenschwere Szene vollständig und gilt für viele fortan als eindeutiger Beweis, dass der Polizist schuld am Tod Garners war. Auch der New Yorker Gerichtsmediziner stufte den Fall wenige Wochen später wegen des illegalen Haltegriffs als Tötungsdelikt ein. Doch die Grand Jury konnte offenbar weder das Video, das weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, noch der Befund des Gerichtsmediziners überzeugen.

Eine Entscheidung, die in New York am Mittwochabend spontan zu Protesten führte. Am Grand Central Bahnhof legten sich während des abendlichen Berufsverkehrs etwa 45 Personen auf den Boden der Haupthalle und riefen: „Ich kann nicht atmen“ und „Eric Garner“. Etwa 200 Demonstranten versammelten sich auf dem Times Square und forderten einen „öffentlichen Prozess“. Weitere 400 Menschen zogen durch Midtown und legten den Verkehr teilweise lahm. Viele von ihnen trafen sich am Rockefeller Center, wo am Abend unter größten Sicherheitsvorkehrungen der Behörden die Kerzen des Weihnachtsbaums feierlich erleuchtet wurden. Dort forderten Demonstranten: „Weiße, steht endlich auf. Auch das Leben von Schwarzen zählt etwas.“ Proteste gab es auch im Heimatbezirk von Garner, auf Staten Island. „Wenn ein Videobeweis nicht mehr ausreicht, was dann?“, sagte einer der Demonstranten. „Die Polizei hat von nun an freie Hand.“

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, der kurzfristig seinen Auftritt bei der Weihnachtsbaumerleuchtung am Rockefeller Center abgesagt hatte, rief die Bürger zu Ruhe und Besonnenheit auf. „Die heutige Entscheidung ist eine, die viele in unserer Stadt nicht gewollt haben“, sagte das Stadtoberhaupt. „Wir spüren heute Abend viel Schmerz und Frust.“ De Blasio nahm die Entscheidung offenbar sehr persönlich und fragte sich, was wäre, wenn sein eigener, farbiger Sohn Dante bei einem solchen Einsatz ums Leben kommen würde. „Für mich wäre das Leben nicht mehr das gleiche.“

Auch die Familie des Toten zeigte sich von dem „Freispruch“ geschockt. „Das ist ein Freifahrtschein zum Töten eines schwarzen Mannes“, fluchte der Stiefvater von Eric Garner, Benjamin Carr. „Dieses Justizsystem ist keinen Pfifferling mehr wert.“ Witwe Esaw Garner fragte: „Wer spielt in diesem Jahr den Weihnachtsmann für die Enkel?“ Die Entschuldigung Pantaleos kurz nach der Entscheidung der Grand Jury wies sie zurück. „Zur Hölle damit. Die Zeit für Reue war, als mein Mann rief, er könne nicht mehr atmen.“

Justizminister Eric Holder kündigte eine „umfassende, gerechte und schnelle Untersuchung des Falls“ durch sein Ministerium an. „Nachdem die Untersuchungen vor Ort abgeschlossen sind, muss nun auf Bundesebene geprüft werden, ob im Todesfall Eric Garner Bürgerrechte verletzt worden sind“, sagte Holder.