Im Streit mit Russland will das Bündnis eine neue Eingreiftruppe für Osteuropa aufstellen

Brüssel. „2014 war ein Jahr der Aggression, der Krisen und des Konflikts. Aber die Nato steht fest zusammen“, sagt Jens Stoltenberg bei seiner ersten großen Pressekonferenz als neuer Nato-Generalsekretär in Brüssel. Das westliche Militärbündnis ist alarmiert. Trotz andauernder Warnungen und schmerzhafter Sanktionen gegen Russland gibt es derzeit keine Anzeichen für ein Einlenken Moskaus im Ukraine-Konflikt. Im Gegenteil: Derzeit befinden sich bis zu 10.000 schwer bewaffnete russische Soldaten in der Ostukraine. Gleichzeitig nähern sich russische Militärflugzeuge immer häufiger dem Luftraum der Nato-Staaten; manchmal verletzen sie ihn auch.

Aber wie lässt sich verhindern, dass Russland nach der Ukraine nun Appetit auf mehr bekommt und anfängt, Nato-Länder zu destabilisieren oder gar anzugreifen? Das Bündnis hat darauf eine Antwort gefunden: Osteuropa und das Baltikum sollen 2015 noch stärker als bisher auf dem Land, in der Luft und zu Wasser überwacht werden. Neben diesen sogenannten Rückversicherungsmaßnahmen will sich die Nato bis 2016 aber auch ganz neu aufstellen im Osten. Das Ziel dieser neuen „Anpassungsmaßnahmen“: stärkere Präsenz, höhere Einsatzfähigkeit der Truppen und eine höhere Kampfbereitschaft der Nato-Soldaten.

Deutschland spielt in den neuen Einsatzplänen der Nato eine zentrale Rolle. So wird Deutschland 2015 als erstes Land die neue „Speerspitze“ gegen Russland anführen. Das wollen die Nato-Außenminister am heutigen Dienstag beschließen. Deutschland, Norwegen und die Niederlande hätten zugestimmt, Soldaten beizusteuern, sagte Nato-Chef Stoltenberg. Bei der „Speerspitze“ handelt es sich um rund 5000 bis 6000 Soldaten, die innerhalb von zwei bis sieben Tagen einen Krisenherd erreichen und sich Russland entgegenstellen können. Diese neue Schnelle Eingreiftruppe ist ein zentraler Baustein der neuen Abschreckungsmaßnahmen gegenüber Russland.

Dabei wird die neue Nato-Wunderwaffe aber erst Mitte 2016 voll einsatzfähig sein. Darum soll im kommenden Jahr zunächst eine „vorläufige“, hoch mobile Eingreiftruppe eingerichtet werden, die viel übt – im Ernstfall aber auch kämpfen kann. Die Führung liegt dabei beim Deutsch-Niederländischen Korps in Münster, das sich mit mindestens 2000 Landstreitkräften beteiligen wird und unter dem Kommando des deutschen Generalleutnants Volker Halbauer steht. Künftig werden zudem sechs Stützpunkte mit jeweils rund 100 Nato-Soldaten im Baltikum, in Polen, Rumänien und Bulgarien eingerichtet. Sie dienen als „Empfangskomitee“ und logistische Unterstützung der „Speerspitze“ und auch jener Soldaten, die demnächst abwechselnd, aber dauerhaft in Osteuropa Übungen durchführen werden.

Neben militärischen Maßnahmen will die Nato weiterhin auch das Gespräch mit Russland suchen, vor allem bei gemeinsamen Treffen der 28 Nato-Botschafter mit Russlands Nato-Botschafter Alexander Gruschko. Wann der Nato-Russland-Rat wieder tagt, ist aber noch ungewiss. Klar ist aber schon jetzt: So einfach wird die Nato der russischen Forderung nach einer Garantie, dass die Ukraine dem Bündnis niemals angehören wird, nicht nachgeben. Stoltenberg verwahrte sich gegen diese Forderung aus Moskau: Es sei Entscheidung jeder souveränen Nation, sich für einen Nato-Beitritt zu bewerben. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte sich hingegen am Wochenende erneut gegen einen Beitritt der Nato zur Ukraine ausgesprochen.