Präsident will kommunale Behörden abschaffen und die Verfassung ändern. Kritiker sind skeptisch

Mexiko-Stadt. Mexikos Staatsführung will dem organisierten Verbrechen mit einer Verfassungsreform beikommen. Präsident Enrique Peña Nieto kündigte insbesondere an, die leicht zu korrumpierenden Polizeieinheiten auf Kommunalebene aufzulösen und durch Einsatzkräfte unter Aufsicht der Bundesstaaten zu ersetzen. Peña Nieto sagte in einer Fernsehansprache, die neuen Polizeieinheiten würden „vertrauenswürdiger, professioneller und effektiver“ sein als die 1800 kommunalen Polizeibehörden, in deren Reihen es zahlreiche Korruptionsskandale gab. Ihre Aufgaben sollen künftig Sicherheitskräfte übernehmen, die direkt den Regierungen der 32 Bundesstaaten unterstehen. Außerdem will Peña Nieto die Zuständigkeiten in der Strafverfolgung neu regeln. „Wenn alle verantwortlich sind, ist am Ende niemand verantwortlich“, sagte der Staatschef.

Die Reform soll zuerst in den besonders von Gewalt betroffenen Bundesstaaten Tamaulipas, Jalisco, Michoacán und Guerrero umgesetzt werden – und zwar bereits bis zum Jahr 2016. Sie ist Teil eines ganzen Bündels von Verfassungsänderungen, die Peña Nieto am Montag dem Kongress vorlegen will. So sollen die Bundesstaaten künftig auch das Recht erhalten, die Kontrolle über Gemeinden zu übernehmen, falls diese von Drogenkartellen unterwandert wurden. Der Präsident reagiert damit auf die öffentliche Empörung über den Fall der seit Ende September in der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero verschwundenen 43 Studenten des linken Lehrerseminars Ayotzinapa. Ihr Schicksal hat die symbiotische Beziehung zwischen korrupten Politikern und Polizisten sowie Verbrecherbanden in Mexiko offengelegt. Es wird vermutet, dass die jungen Männer von der Polizei im Bundesstaat Guerrero an die Drogenbande Guerreros Unidos übergeben wurden, die sie anschließend tötete. Einige Bandenmitglieder haben bereits Geständnisse abgelegt. Der Bürgermeister der Stadt Iguala und seine Frau sollen für die Tat verantwortlich sein.

Seit Wochen kommt es immer wieder zu teils gewaltsamen Massenprotesten, auch in der Hauptstadt Mexiko-Stadt, weil der Fall noch nicht restlos aufgeklärt ist und insbesondere die Angehörigen der Verschwundenen sehr skeptisch gegenüber Ermittlungsangaben von Polizei und Behörden sind. Die Affäre hat sich zur größten Krise der zweijährigen Amtszeit Peña Nietos ausgewachsen.

Sicherheitsexperten äußerten sich zunächst zurückhaltend zu der neuen Strategie. Bei den zehn Vorschlägen des Präsidenten handele es sich zum Teil lediglich um Gesetze, die bereits bestehenden Regelungen zur Geltung verhelfen sollten, kommentierte der Direktor der Organisation Observatorio Nacional Ciudadano, Francisco Rivas. Die Nichtregierungsorganisation Common Cause wies darauf hin, dass „wir nicht auf ein neues Gesetz warten müssen, um die uns bekannten Korrupten einzusperren“.

Wie dringend Mexiko eine neue Sicherheitsstrategie braucht, machte ein neues Verbrechen deutlich. Unbekannte töteten in der Unruheprovinz Guerrero elf Menschen. Die geköpften, von Kugeln durchsiebten und teilweise verkohlten Leichen wurden nahe einer Polizeiwache in der Ortschaft Chilapa de Álvarez entdeckt. Neben den Leichen wurde eine Notiz an die Drogenbande Los Ardillos mit der Botschaft „Hier ist euer Müll“ gefunden.