Nordkoreas Diktator baut Vertraute in die Führungsriege ein, um seine Macht zu festigen

Pjöngjang. Als im Oktober ihr älterer Bruder zeitweise von der Bildfläche verschwunden war, da glaubten einige Nordkorea-Deuter bereits, sie sei jetzt in Pjöngjang am Ruder: Kim Jong-uns kleine Schwester Yo-jong. Die 27-Jährige hatte bereits die Termine ihres Bruders organisiert und war als eine Art persönliche Assistentin für seine öffentlichen Auftritte zuständig. Nun wurde sie erstmals öffentlich in einer hohen Position im Staatsapparat präsentiert. Der Weg ist frei für eine wichtige Rolle an der Spitze des Regimes. Die weltweit einzige kommunistische Dynastie soll weiterblühen.

Kim Yo-jong sei die „stellvertretende Abteilungsleiterin“ im Zentral-komitee der Kommunistischen Partei, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur KCNA am Donnerstag erstmals, aber beiläufig. Ihr Name und der neue Posten tauchten nur in einem kleinen Nebensatz auf – so wie wichtige Personalien in dem isolierten Staat stets unters Volk gebracht werden. Sie hatte mit ihrem Bruder, dem Diktator, ein Trickfilmstudio besichtigt. Der „großartige Führer“ ist ein erklärter Fan von Mickeymaus und Co.

Yo-jong und Jong-un sind Kinder von Ko Yong-hi, der Mätresse des verstorbenen Staatsführers Kim Jong-il, in manchen Darstellungen wird sie auch als seine vierte Ehefrau bezeichnet. Die Geschwister wuchsen gemeinsam in der Residenz ihrer Mutter in Ch’angkwang Hill im Zentrum von Pjöngjang auf. Ihre Kindheit verbrachten sie und der älteste Bruder Kim Jong-chol fast ausschließlich hinter den Mauern des Palastes, sie traten kaum öffentlich in Erscheinung. Nur an ihrem Geburtstag, dem 26. September, und zu nordkoreanischen Feiertagen, wurde ihr, ihren Geschwistern und Stiefgeschwistern eine Ausgehuniform der Volksarmee übergezogen, und sie traf ihren Vater.

Mit acht Jahren zog Kim Yo-jong wie ihr Bruder Jong-un nach Bern, um ein Schweizer Internat zu besuchen. Auf Videofilmen von Mitschülern sieht man sie gemeinsam mit ihrem großen Bruder in einer Aufführung auf der Bühne stehen. Die Geschwister lebten in Bern in einem gemieteten Haus. Das Mädchen war, so erzählte eine Mitarbeiterin der Schule, „überbeschützt“ von einer Gruppe weiblicher Angestellter, die sie chauffierten und rund um die Uhr bedienten.

Yo-jong blieb nur bis zur sechsten Klasse in Bern. Wo sie ihre Ausbildung vollendet hat oder wo sie bis 2008 lebte, ist nicht sicher bekannt. Die chine-sische Nachrichtenagentur Xinhua schreibt, sie habe an Pjöngjangs Kim-Il-sung-Universität Englisch und Französisch studiert. Anderen Quellen zufolge kehrte sie zum Studium unter falschem Namen nach Europa zurück.

Angeblich, so schreiben die Experten des Blogs North Korea Leadership Watch, haben der Diktator und seine jüngste Schwester „ein sehr gutes Verhältnis“. Kim Jong-un braucht enge Vertraute an seiner Seite. Seinen Onkel Jang Song-thaek hat er im vergangenen Jahr zum Verräter erklärt und hinrichten lassen. Seine Tante Kim Kyong-hui, die Witwe Jangs und Schwester seines Vaters, ist seitdem von der Bildfläche verschwunden. Auch sie war eine mächtige Figur in der Führungsriege. Nun braucht Kim Jong-un neue Stützen vom eigenen Fleisch und Blut, um seine Macht zu festigen. Gerade wenn er wirklich nicht ganz fit ist, wie Beobachter noch immer argwöhnen, seit er im Herbst für einen Monat verschwand.

Seine Schwester hat wohl bereits seit 2008 für die Partei gearbeitet, allerdings hinter den Kulissen, wo sie für eine wichtigere Rolle herangezüchtet wurde. Damals stand noch ihr Vater an der Spitze des Landes. Nach dessen Schlaganfällen sollen ihr Onkel Jang – zu der Zeit noch mächtig und einflussreich – und andere Kader Yo-jongs künftige Rolle festgelegt haben. Bei der Beerdigung des Vaters im Dezember 2011 war sie zum ersten Mal öffentlich aufgetreten. Ihre nun publik gemachte neue Position ist offenbar nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben.

Der Nordkorea-Experte Chang Yong-seok von der Seoul National University glaubt, die junge Frau sei schon jetzt einflussreicher, als ihre mächtige Tante Kim Kyong-hui es je war: „Kim Yo-jong spielt eine wesentliche Rolle in der Kreation von Kim Jong-uns Image als menschennahem Führer. Sie steht im Zentrum der Bemühungen, seine Machtbasis zu stärken.“ Der Geheimdienst im Bruderland Südkorea geht ebenfalls davon aus, dass Kim Yo-jong bereits eine hohe Position in der Propagandaabteilung der KP innehat. Ihr Vater Kim Jong-il hatte in derselben Abteilung gearbeitet, als er zum Führer des Landes aufgebaut wurde.