Tel Aviv. Ein neuer Palästinenseraufstand hat bereits begonnen – davon sind nach Wochen gewaltsamer Konfrontationen in Nahost und angesichts einer Welle blutiger Anschläge viele Israelis fest überzeugt. „Wir befinden uns jetzt am Anfang einer dritten Intifada“, schrieb ein Kommentator der israelischen Zeitung „Jediot Achronot“. „Die Welle der Gewalt nährt sich aus dem nationalen Konflikt, für den es bisher noch keine Lösung gibt.“ Das Gefühl der relativen Sicherheit, das in den vergangenen Jahren in den meisten israelischen Städten herrschte, ist wieder dahin. Wenn unberechenbare Einzeltäter Autos in eine Menschenmenge lenken oder mit einem Messer auf Menschen einstechen, dann kann es jeden jederzeit und überall treffen – nicht nur in den besetzten Palästinensergebieten.

Die umstrittene Sperranlage im Westjordanland, mit deren Bau Israel vor zwölf Jahren begonnen hatte, ist nie ganz fertig geworden. Besonders im Süden des Westjordanlands ist es für Palästinenser sehr leicht, auch ohne Genehmigung nach Israel zu gelangen. Auch wenn sie einen Anschlag verüben wollen – wie der 18-Jährige aus Nablus, der am Montag neben einem belebten Bahnhof im Süden von Tel Aviv einen 20 Jahre alten israelischen Soldaten erstach. Nur wenige Stunden später starb eine 26 Jahre alte Siedlerin im Westjordanland auf dieselbe Weise.

Die Atmosphäre erinnert viele an das Jahr 2000, als der letzte Palästinenseraufstand begann. Damals wie heute waren einige Monate zuvor Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern gescheitert. Und im Zentrum der Spannungen stand ebenfalls der Tempelberg in Jerusalem – ein Besuch des damaligen israelischen Oppositionsführers Ariel Scharon auf der heiligen Stätte, der von Palästinensern als Provokation empfunden wurde, gilt als Auslöser der zweiten Intifada.

Nach dem Zusammenbruch der Friedensgespräche im April hat sich die Gewalt in der Region immer weiter hochgeschaukelt. Dabei bildete der 50-tägige Gaza-Krieg im Sommer bisher den Höhepunkt. Doch angesichts der Radikalisierung auf beiden Seiten und einer Stimmung der politischen Hoffnungslosigkeit wird jetzt eine fortwährende Welle der Gewalt in der Region befürchtet. Israel wirft dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas vor, mit Hetze gegen den jüdischen Staat zu der Atmosphäre beizutragen, die einen Nährboden für Anschläge bietet. Auf der palästinensischen Seite wird jedoch die Mitte-Rechts-Regierung Benjamin Netanjahus mit ihrer Siedlungspolitik als zentraler Brandstifter gesehen.