Grüne fordern mehr Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen nach Europa
Hamburg. Im Konflikt mit der Ukraine droht Russland mit einem Lieferstopp von Gas im Winter. Und auch die Staaten der Europäischen Union sind Teil des Gasstreits – denn die EU importiert Rohstoffe aus Russland. Der russische Energieminister hatte der EU mit Einschränkungen bei der Gasversorgung gedroht, sollten diese importiertes Gas teilweise an die Ukraine weiterleiten.
Nun sind neue Gespräche zwischen der Ukraine und Russland über die Gasverträge für den Winter für diese Woche unter der Vermittlung der EU geplant. Russland verlangt von der Ukraine Schulden in Milliardenhöhe zurück, bevor es die auf Eis gelegten Gaslieferungen wieder aufnimmt. Kiew will einen günstigeren Tarif aushandeln.
Und doch geht es nicht nur um die Energiesicherheit der Ukraine. „Manche EU-Länder wie Polen und Bulgarien sind energiepolitisch sehr stark abhängig von Russland“, sagte der Grünen-Politiker im EU-Parlament, Reinhard Bütikofer, im Gespräch mit dem Abendblatt. „Das Ziel muss sein, die europäische Unabhängigkeit gegenüber Gas aus Russland zu stärken. Dazu gibt es erste Schritte in der EU, die reichen aber noch nicht.“ Russland hat unlängst seine Gaslieferungen an die Slowakei nach Angaben der Regierung in Bratislava um die Hälfte zurückgefahren. Auch der polnische Energiekonzern PGNiG hat einen deutlichen Rückgang der Erdgaslieferungen aus Russland festgestellt. Bütikofer hebt hervor, dass Deutschland deutlich weniger an Energielieferungen aus Russland gebunden sei. „Die Energiewende in Deutschland leistet hier einen wichtigen Beitrag und zeigt auch Möglichkeiten auf, wie es gehen kann.“ Was allerdings auch hierzulande zu wenig angepackt werde, sei der Bereich der Energieeffizienz, vor allem bei der Gebäudesanierung. „Damit könnte der Gasverbrauch ganz erheblich gesenkt werden.“ Nur das sei der Weg zu einer Unabhängigkeit vom russischen Gas.
Während die EU in den Konflikt im Osten verwickelt ist, sucht Europa noch engere wirtschaftliche Bindungen an die USA und Kanada. Derzeit handeln Vertreter aller Seiten transatlantische Freihandelsabkommen, TTIP und CETA, aus. Viele EU-Politiker werben für die Verträge. Gegner in Europa befürchten durch die Abkommen geringere Umweltstandards und Lohndumping.
Aus Sicht des EU-Politikers Bütikofer könne ein Freihandelsabkommen gerade für mittelständische Unternehmen hilfreich sein. „Aber die Verhandlungen über TTIP sind leider von den Lobbys großer Konzerne gekapert worden, die versuchen damit ihre Interessen durchzusetzen.“ Es dürfe „kein Schleifen von hart erkämpften Standards bei Verbraucher- und Umweltschutz und bei den Arbeitnehmerrechten geben“, sagte der Grünen-Politiker. Bei TTIP ist vorgesehen, dass Investoren rechtliche Privilegien erhalten sollen, indem sie Staaten bei privaten Schiedsgerichten verklagen und so gegen Gesetze und Regelungen in diesen Staaten vorgehen können. „Das geht gar nicht“, sagte Bütikofer. So klagt der Energieversorger Vattenfall vor dem Schiedsgericht der Weltbank gegen Deutschland auf vier Milliarden Euro Entschädigung wegen entgangener Gewinne durch die Stilllegung der Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel.