Türkische Regierung spricht mit US-Sondergesandten. Das Ergebnis: nichts

Istanbul. General John Allen, der amerikanische Sondergesandte zur Koordinierung des Kampfes gegen den Islamischen Staat (IS), weilte am Donnerstag und Freitag in Ankara. Mit den türkischen Behörden wollte er besprechen, was die Türkei denn am besten beitragen könnte – zusätzlich zu dem, was sie bereits tut, vor allem bei der Flüchtlingshilfe und dem Austausch geheimdienstlicher Informationen. Nach amerikanischer Auffassung sehr viel. Und am besten sehr schnell. Allen sprach bei seinen Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu und mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu von „einzigartigen Fähigkeiten“ der türkischen Streitkräfte und dass diese gegen die „dringende“ Gefahr „dringend“ gebraucht würden.

Insbesondere mag das ein Hinweis auf die bedrohliche Lage an der syrischen Grenzstadt Kobane gewesen sein, wo ein schwindendes Häuflein kurdischer Verteidiger sich seit drei Wochen völlig umzingelt gegen eine Übermacht der Islamisten zur Wehr setzt. Am Freitag wurde bekannt, dass diese das Hauptquartier der Kurden erobert hatten und bereits die Hälfte der Stadt kontrollierten. Die türkische Seite schien die Dringlichkeit von Allens Bitten dahingehend zu verstehen, dass die Amerikaner die Türkei mehr brauchten als umgekehrt, und hatte dementsprechend ganz viel Zeit. Zunächst einmal müssten Experten über die Machbarkeit der Dinge sprechen, über die man sich unterhalten habe, hieß es aus Ankara. Experten beider Seiten sollten sich nächste Woche treffen, um über technische Details zu sprechen. Bis dahin ist es für Kobane wahrscheinlich zu spät. Ohnehin kommt es der türkischen Regierung nicht ungelegen, wenn die autonome Kurdenenklave in Syrien verschwindet. Die dortigen Kurden sind eng mit der türkischen Kurdenorganisation PKK verbunden. Zwar befindet man sich seit anderthalb Jahren ganz offiziell in „Friedensgesprächen“ mit der PKK, aber dennoch: Je schwächer die Kurden werden, desto besser aus der Sicht Ankaras. Auch die Amerikaner haben ganz offen gesagt, dass Kobane für sie keine strategische Bedeutung hat.

Bei den Gesprächen in Ankara ging es vor allem um das, was der Türkei wichtig ist und zugleich den Amerikanern akzeptabel erscheint: eine Stärkung der als „moderat“ bezeichneten syrischen Rebellenkoalition FSA im Nordwesten Syriens, angelehnt an die türkische Grenze. US-Außenamtssprecherin Jen Psaki erklärte zu den Gesprächen, beide Seiten seien übereingekommen, dass eine Stärkung dieser Rebellen vonnöten sei. „In dieser Hinsicht“ habe Allen unter anderem mit Ministerpräsident Davutoglu diverse Maßnahmen erörtert, was nun auf Expertenebene ab Anfang nächster Woche vertieft werden müsse. Die Stärkung der FSA ist eine Kernforderung der Türken, eine andere ist es, den Kampf in Syrien nicht nur gegen den IS, sondern auch gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad zu richten. Und eine dritte Forderung – die bei den Gesprächen mit Allen erneut vorgebracht wurde – ist die Schaffung einer militärisch geschützten Sicherheitszone auf syrischem Gebiet, verbunden mit einer Flugverbotszone. Nur wenn all diese Forderungen erfüllt sind, will Ankara den Amerikanern ihren dringendsten Wunsch erfüllen: ihnen den Luftwaffenstützpunkt Incirlik für Einsätze in Syrien zur Verfügung zu stellen.

Die Amerikaner wollen eigentlich nach Möglichkeit keine Pufferzone, keine Flugverbotszone und keinen Kampf gegen Assad, weil das den Krieg ausweiten würde. Nicht nur der IS, auch Assads Armee wäre dann der Gegner. Kosten und Risiken für die USA würden steigen, Nutznießer wäre vor allem die Türkei. Das Ergebnis wäre zunächst die Schaffung eines Gebietes, auf dem ein neuer syrischer Staat entstehen würde – unter türkischer Protektion. Eine weitere Komplikation wäre, dass die Kurden eine solche Zone ablehnen – sie sehen darin eine türkische Invasion und drohen, sie zu bekämpfen. Dabei sind die Kurden bislang die effizientesten Kämpfer gegen den IS, und die Einzigen, auf die sich die USA wirklich immer verlassen können. Regierung und Streitkräfte des Irak beispielsweise sind notorisch unzuverlässig.

Derweil forderten Iraks Kurden die USA auf, in Kobane aktiv zu werden, und seien es nur Waffenlieferungen aus der Luft. Diese Waffen wollte die Führung der autonomen Kurdenregion im Irak selbst zur Verfügung stellen, die Amerikaner müssten sie nur irgendwie nach Kobane bringen. Aus der Stadt selbst kam ein verzweifelter Hilferuf der Verteidiger. Die Lage sei sehr besorgniserregend, man brauche sofort Waffen sowie eine Evakuierung der etwa noch 700 in der bedrängten Stadt verbliebenen Zivilisten.