Was er und ein Kämpfer zu sagen haben, lässt zweifeln, dass der Krieg bald zu Ende ist

Ankara. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat sich offenbar gut auf die Luftangriffe der US-geführten Allianz eingestellt. Das zumindest legt ein Bericht des US-Nachrichtensenders CNN nahe. CNN-Korrespondentin Arwa Damon ist es gelungen, einen IS-Deserteur und einen aktiven IS-Kämpfer zu interviewen. Was diese beiden zu berichten haben, lässt daran zweifeln, dass der Krieg gegen die brutalen Islamisten ein kurzer sein wird.

Als die Allianz das nordsyrische Rakka bombardierte, entschied sich Abu Omar nach Rücksprache mit einem Verwandten, dem IS den Rücken zu kehren. Er rasierte sich den Bart ab und floh über die Grenze in die Türkei.

Nun ist er in gewisser Weise vogelfrei, wird verfolgt von beiden Seiten, den Extremisten und deren Gegnern. Denn Abu Omar hat wertvolle Insiderinformationen. Die einen wollen nicht, dass er sie preisgibt, die anderen brauchen sie für ihre Einsätze gegen den IS.

Zum Beispiel diese: „Der IS ist abhängig von ausländischen Kämpfern und wird maßgeblich von ihnen geprägt“, sagt er im CNN-Interview. Vor allem die Franzosen hätten großen Einfluss. „Sie haben alles unter Kontrolle. Sie kommen aus Frankreich, aber sie sind viel extremistischer als wir. Es scheint, als wären sie schon seit Jahren Teil des Islamischen Staates“, sagt der Deserteur.

IS schafft Waffen und Gerät aus den Hauptquartieren in zivile Wohngebiete

Abu Omar berichtet, dass die Terrormiliz nach den ersten Luftschlägen dazu übergegangen ist, ihre Waffen und ihr Material aus den Hauptquartieren in zivile Wohngebiete zu schaffen. „Sie haben ihre Hauptsitze vollständig geräumt. Einiges haben sie bei Zivilisten untergebracht, anderes verstecken sie unterirdisch.“

Der IS-Kämpfer Abu Talha bestätigt diese Angaben. Per Skype und vollkommen verhüllt antwortet er mit der Genehmigung seines „Emirs“ auf die Fragen der Reporterin, die sie von einem Mann stellen lässt, sonst hätte sie gar keine Antworten erhalten.

„Wir hatten uns schon seit geraumer Zeit auf diese Luftschläge vorbereitet. Wir wussten, dass sie unsere Hauptquartiere kennen, weil sie uns abhören mit Radar und Satelliten“, sagt der IS-Krieger. „Also haben wir Ersatzstrukturen aufgebaut. Wir dachten, sie wissen alles. Aber Gott sei Dank wissen sie gar nichts. Mit Gottes Hilfe werden wir die Ungläubigen besiegen.“

Abu Talha gibt an, bei der Eroberung der nordirakischen Stadt Mossul dabei gewesen zu sein. Der IS habe gewusst, wie leicht es sei, die irakische Armee von dort zu vertreiben und ihre Waffen zu erobern, die meisten aus amerikanischer Produktion. „Das ging alles nach Plan, nichts wurde dem Zufall überlassen, alles war organisiert“, meint der Dschihadist.

„Wir erwirtschaften unsere Erlöse nicht nur aus Öl, wir haben andere Zugänge“

Der IS verfüge über viele Geldquellen. „Die Luftangriffe können uns nicht stoppen. Wenn sie uns an einigen Stellen treffen, werden wir an anderen voranschreiten. Wenn wir im Irak zurückgedrängt werden, entwickeln wir uns in Nordsyrien fort“, sagt der IS-Kämpfer. „Wir erwirtschaften unsere Erlöse nicht nur aus Öl. Wir haben auch andere Zugänge und andere finanzielle Mittel.“

Der Deserteur Abu Omar wollte nicht mehr Teil dieses ideologischen Feldzuges sein, der krankhafte Züge angenommen hat. „Ich habe mitansehen müssen, wie ein sieben Jahre altes Kind getötet wurde. Der IS rekrutiert 13, 14 Jahre alte Kinder für seinen Krieg. So kann es nicht weitergehen. Ich hoffe, dass meine Aussagen die Menschen zum Nachdenken bewegen.“