Luftschläge machen Flüchtlingen aus Syrien Mut. „Endlich passiert etwas“ – Türkei vor weiterem Ansturm an der Grenze

Suruc. Die Kurdin Maha Mistu könnte einen Stein in ihr Heimatland werfen, so nah ist Syrien – doch zurück kann sie nicht. Sie sitzt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern im Schatten eines Baumes in Mürsitpinar an der türkisch-syrischen Grenze und wartet. Sie will, dass die türkischen Sicherheitskräfte sie durchlassen – zurück in die Grenzstadt Ain al-Arab (kurdisch: Kobane): „Natürlich habe ich Angst vor IS, aber ich sterbe lieber in meinem Heimatland als hier.“ Mit einer abfälligen Bewegung zeigt sie auf die staubige und trockene türkische Landschaft in ihrem Rücken.

Am Sonnabend ist die 35-Jährige mit ihrer Familie geflohen. IS hatte Ain al-Arab zuvor von drei Seiten eingeschlossen. Seitdem sind laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR 150.000 Menschen aus der hauptsächlich von Kurden bewohnten Grenzregion vertrieben worden. Die meisten flohen in die Türkei, in der seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien schon 1,5 Millionen Flüchtlingen Zuflucht gesucht haben. Die Türkei muss sich wegen des Vormarschs der IS-Miliz nach Uno-Angaben auf bis zu 400.000 weitere syrische Flüchtlinge einstellen. Die Behörden versuchen, die verzweifelten Neuankömmlinge so gut wie möglich auf die Region zu verteilen.

Mistu erzählt, sie habe mit ihren Kindern im Freien in der Nähe der Grenze geschlafen. Doch nun will Mistu zurück. „Die Luftschläge der Amerikaner haben uns Mut gegeben“, sagt sie: „Endlich passiert etwas. Warum hat der Westen dem Morden so lange zugeschaut?“ Ihr Mann Hüssein Ibrahim nickt zustimmend. Um sie herum hat sich eine kleine Gruppe von Menschen gesammelt. Viele Flüchtlinge wollen nach ihren Häusern schauen, andere warten auf ihre Familie.

Einige Männer bedrängen die Grenzsoldaten. „Wir wollen nach Syrien und gegen die IS kämpfen“, ruft einer. Die Soldaten scheuchen die Syrer ungeduldig zurück. „Sie wollen verhindern, dass sie sich der PKK anschließen“, sagt Mohammed Ali, ein Türke, dessen Haus direkt an der Grenze liegt. Der Grenzübergang Mürsitpinar blieb auch gestern Nachmittag geschlossen.

An anderen improvisierten Übergängen kamen aber weitere Syrer in die Türkei. Nur fünf Kilometer von Mistu und ihrer Familie entfernt warten Flüchtlinge auf der syrischen Seite auf Einlass. Sie sind nur aus der Ferne zu sehen, stehen mit ihren Kühen und Schafen in der brennenden Sonne. Die Uno und der türkische Katastrophenschutz bereiten den Einlass vor. Die Flüchtlinge sollen medizinisch untersucht und dann auf die Region verteilt werden.

Einige sind schon zuvor in der Stadt Suruc untergekommen, etwa 15 Kilometer von der Grenze entfernt. Die 40-jährige Salwa ist mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern in einer Schule untergekommen.

Salwa ist mit ihrer Familie vergangene Woche aus Ain al-Arab geflohen. „Es ging so schnell. Ich dachte, wenn wir bleiben, wird IS uns alle töten“, sagt sie. Salwa zeigt an sich herunter. „Das hier ist alles, was ich habe.“ Sie trägt einen Pulli und einen langen Jeansrock. Ihre Füße stecken in weißen Sandalen: „Schauen Sie sich das hier an, überall sind kleine Kinder. Ich kann das kaum ertragen.“