Terrormiliz IS enthauptet britischen Entwicklungshelfer – bereits die dritte westliche Geisel

London. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat erneut eine westliche Geisel enthauptet. Ein Internetvideo zeigt die Ermordung des britischen Entwicklungshelfers David Haines, 44, der im März 2013 in Syrien verschleppt worden war. Das Außenministerium in London erklärte am Sonntag, dass alles auf die Echtheit der Bilder hindeute. Der britische Premierminister David Cameron sprach von einem „Akt des absolut Bösen“.

Die Extremisten, deren Streitmacht nach Schätzungen mehrere Zehntausend Kämpfer angehören, beherrschen weite Landstriche in Syrien und im Irak. Für die Errichtung eines „Kalifats“ kämpfen auch Hunderte Konvertiten aus Europa und den USA. In den vergangenen Wochen hatte die Miliz ähnliche Videos mit der Enthauptung der ebenfalls in Syrien verschleppten US-Journalisten Steven Sotloff und James Foley gezeigt. Darin wurde jeweils das nächste Opfer angekündigt und vorgeführt. So auch diesmal – ein weiterer britischer Staatsbürger.

In London tagte am Sonntag das Sicherheitskabinett unter Leitung Camerons, um die Lage zu erörtern. Die US-Regierung umwirbt Großbritannien, sich an US-Luftangriffe im Irak und künftig auch in Syrien zu beteiligen. Australien ist schon dabei – und entsendet 600 Soldaten sowie Kampfflugzeuge, erklärte Premierminister Tony Abbott. Cameron machte nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts keine Aussage, ob sich Großbritannien an Luftschlägen gegen die IS-Miliz beteiligen wird. „Wir werden die Verantwortlichen jagen und zur Verantwortung ziehen, egal, wie lange es dauert“, sagte er jedoch.

Die Familie des jüngsten Mordopfers erklärte in der Nacht: „Er wurde und wird von seiner ganzen Familie geliebt und wird schrecklich vermisst werden.“ Sein Bruder Mike Haines sagte, sein Bruder sei dann am „lebendigsten und begeistertsten“ gewesen, wenn er Menschen in Not habe helfen können. Haines, ein Ex-Soldat, war unter anderem für die Vereinten Nationen auf dem Balkan im Einsatz gewesen. 2013 wurde er in der Nähe eines Flüchtlingslagers im syrischen Atmeh entführt. Der zweifache Vater sollte dort die Auslieferung von Hilfsgütern koordinieren.

In dem Video erklärte Haines in einer offenkundig einstudierten Rede: „Ich mache dich, David Cameron, in vollem Umfang für meine Exekution verantwortlich.“ Haines war in einen orangefarbenen Overall gekleidet, der an die Kleidung der muslimischen Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantánamo erinnert. Wie zuvor Foley und Sotloff kniete er vor seinem maskierten Mörder im Sand – mutmaßlich derselbe Mann mit Londoner Akzent, der auch in den vorherigen Videos zu sehen war. Der zweieinhalbminütige Film trägt den Titel „Botschaft an die Verbündeten Amerikas“. Der Brite wurde laut IS getötet, weil David Cameron kurdische Peschmerga-Kämpfer im Nordirak gegen den Islamischen Staat bewaffne. Die Terrormiliz hat auch zwei libanesische Soldaten enthauptet, die sie gefangen genommen hatte.

Wenige Tage vor der Ermordung hatte Haines’ Familie die Entführer in einer Botschaft aufgefordert, sie zu kontaktieren – vergeblich. London verweigert wie die USA grundsätzlich die Zahlung von Lösegeld an Terroristen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte Haines’ Ermordung ebenfalls als „abscheulichen Akt barbarischer Gewalt jenseits aller Grenzen menschlicher Zivilisation“. Die Veröffentlichung und Verbreitung der Aufnahmen seiner Tötung sei ein weiterer inakzeptabler Tabubruch, betonte er. Dort, wo die Terrormiliz IS herrsche, werde gemordet, vergewaltigt, gebrandschatzt. „Die internationale Gemeinschaft muss sich dieser Bedrohung für den Irak, die ganze Region und auch uns entschlossen entgegenstellen.“ Die Initiative Frankreichs für eine Irak-Konferenz an diesem Montag in Paris komme zur rechten Zeit, so Steinmeier. „Wir brauchen jetzt schnell eine breit angelegte und regional verankerte politische Strategie, um der Bedrohung zu begegnen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich ebenfalls entsetzt. Sie übermittelte nach Angaben ihrer Vizesprecherin Premierminister Cameron ihre Anteilnahme und bat ihn, ihr Mitgefühl auch der Familie auszurichten, die „unendliches Leid“ ertragen müsse. Die Bundeskanzlerin sprach von einer menschenverachtenden Tat der Terroristen, die durch nichts zu rechtfertigen sei und geahndet werden müsse.

Die USA schmieden im Kampf gegen die Miliz derzeit an einem breiten Anti-Terror-Bündnis. US-Außenminister John Kerry reiste nach Besuchen im Irak, in Jordanien, Saudi-Arabien und der Türkei nach Ägypten, um mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi sowie dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, über ein gemeinsames Vorgehen zu sprechen. Am Freitag hatte die US-Regierung erstmals von einem Krieg gegen den IS gesprochen. Obama verteidigte in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache die Strategie, den Militäreinsatz weitgehend auf Luftangriffe und die Ausbildung ausländischer Kräfte für den Bodenkampf gegen den IS zu beschränken. Eine Reihe von Republikanern hatte Obama angelastet, dies reiche nicht aus.