Die Präsidenten der Ukraine und Russlands, Petro Poroschenko und Wladimir Putin, trafen in Minsk aufeinander. Beide fordern Frieden im Krisengebiet. Doch im Donbass herrschen ganz andere Verhältnisse.

Minsk/Kiew. Bei ihrem ersten Treffen seit Wochen haben die Präsidenten Russlands und der Ukraine im größeren Kreis über Friedenslösungen für die umkämpfte Region Donezk beraten. Die Gespräche am Dienstag im weißrussischen Minsk wurden von neuen schweren Gefechten in der Ostukraine überschattet. Dabei kamen nach Angaben aus Kiew seit Wochenbeginn fast 250 prorussische Separatisten ums Leben. Die russische Führung räumte ein, dass sich eigene Soldaten im Nachbarland aufhielten.

„In Minsk entscheidet sich das Schicksal der Welt und Europas“, sagte das ukrainische Staatsoberhaupt Petro Poroschenko in der weißrussischen Hauptstadt. Kremlchef Wladimir Putin forderte die Ukraine zur friedlichen Lösung des Konflikts auf. Bis zum Abend hatte es kein Zweiergespräch der beiden Politiker bei dem Treffen der von Russland dominierten Eurasischen Zollunion gegeben.

Zu Beginn der Unterredungen gaben sich Putin und Poroschenko die Hand. Es war ihr erstes Treffen seit Juni. Poroschenko warb in Minsk für seinen Friedensplan. Ziel der Gespräche sei, das Blutvergießen in seinem Land zu beenden und einen politischen Kompromiss zu suchen. Er rief russischen Agenturen zufolge die Mitglieder der Eurasischen Zollunion – Russland, Weißrussland und Kasachstan – auf, sich an einer Geberkonferenz für die notleidende Ostukraine zu beteiligen. Beobachtern zufolge vermieden Poroschenko und Putin gegenseitige Schuldzuweisungen.

Während der Minsker Verhandlungen beschloss die prowestliche Regierung der Ukraine, binnen 48 Stunden neues Kriegsgerät für die so genannte Anti-Terror-Operation ins Krisengebiet zu schicken.

Kremlchef Putin betonte, Moskau sei zu einem weiteren Dialog über die Krise bereit. Die Führung in Kiew müsse zudem mit den Aufständischen verhandeln. An dem Treffen nahm auch eine Delegation aus Brüssel mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton teil.

Schwere Gefechte bei Donezk


Große Aufregung lösten in Kiew Berichte über zehn russische Fallschirmjäger aus, die am Rande der Kampfzone in der Region Donezk gefangen worden waren. Die Ukraine wirft Russland vor, die Separatisten mit eigenem Militärpersonal zu unterstützen. Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Moskau bestätigte Agenturen zufolge die Festnahme russischer Soldaten. Es habe sich um eine Grenzpatrouille gehandelt, die an einer nicht markierten Stelle zufällig auf ukrainisches Gebiet gelangt sei, sagte er.

Die Führung in Kiew und die Aufständischen berichteten von heftigen Gefechten. Innerhalb von 24 Stunden seien fast 250 militante Kämpfer getötet worden, teilte der ukrainische Sicherheitsrat mit. Den Separatisten zufolge wurden zudem mehr als 80 Soldaten getötet oder verletzt und mehr als 40 gefangen genommen, wie russische Agenturen berichteten. Nach Angaben des Sicherheitsrats in Kiew wurden zudem vier Grenzschützer getötet. Bei einem Beschuss der Großstadt Donezk kamen nach Angaben des Stadtrats zudem drei Zivilisten ums Leben.

Das russische Wirtschaftsministerium erwartet wegen der Ukraine-Krise einen noch massiveren Kapitalabfluss als bisher befürchtet. Vermutlich würden ausländische Investoren im laufenden Jahr mehr als 100 Milliarden US-Dollar (etwa 76 Milliarden Euro) aus Russland abziehen, sagte Behördensprecher Oleg Sassow. Bisher hatte das Ministerium mit maximal 90 Milliarden US-Dollar gerechnet.

Die von Poroschenko ausgerufene Neuwahl des Parlaments am 26. Oktober bezeichneten die Aufständischen als „Provokation“. Es werde in den Separatistengebieten im Osten der Ex-Sowjetrepublik keine Abstimmung geben, kündigte einer der Sprecher der militanten Gruppen, Sergej Kawtaradse, an. Er drohte mit „harten Reaktionen“. Poroschenko erhofft sich von der vorgezogenen Parlamentswahl mehr Stabilität.