Die Terrormiliz IS hat es in Syrien und im Irak besonders auf westliche Reporter wie den jetzt enthaupteten James Foley abgesehen

Bagdad. Die Enthauptung des US-amerikanischen Journalisten James Foley vor laufender Kamera hat die Welt empört. Was für uns einen Zivilisationsbruch bedeutet, hat sich für die Terroristen der Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) zum einträglichen Geschäftszweig entwickelt: Die Entführung von Geiseln, die Forderung von Lösegeld, die Androhung der Tötung – und in einem letzten Schritt auch die Wahrmachung dieser Drohung.

Foley werde als Strafe für die Luftangriffe der USA im Irak getötet, so heißt es in dem perfide inszenierten Video, das die IS-Terroristen in Umlauf brachten. Der Tod des amerikanischen Reporters ist eines der bisher traurigsten Kapitel in der Geschichte der Entführungen von Journalisten im syrisch-irakischen Krisengebiet. Und es wird nicht das Letzte sein: In den vergangenen Tagen und Wochen wurden in der Nähe Aleppos zwei Italienerinnen, ein Däne und ein Japaner verschleppt. Alle sollen Reporter oder Fotografen sein, die der IS nach al-Raqqa in seinen Hauptstützpunkt brachte.

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien wurden insgesamt 80 Journalisten entführt. Davon sollen sich heute noch rund 30 in Gefangenschaft befinden. Genaue Zahlen gibt es nicht, da die Angehörigen der Betroffenen es meist vorziehen, anonym zu bleiben. So erhoffen sie, die Chance auf eine Freilassung der Geiseln zu erhöhen. In einigen Fällen sorgte die Öffentlichkeit dafür, dass die Medienvertreter tatsächlich freigelassen wurden. „Es gibt da keine feste Regel, was besser oder schlechter ist“, sagte ein syrischer Rebellenkommandeur aus Aleppo, der bei einigen Entführungen als Vermittler im Einsatz war. „Es kommt immer auf den Einzelfall an.“

Kidnappings von Journalisten sind in Syrien eine komplizierte Angelegenheit, denn die Entführer verschleppten ihre Opfer häufig ohne feste Absichten. Die Journalisten werden „vorsorglich“ verhaftet, frei nach dem Motto – für irgendetwas werden die Entführten später schon gut sein. So handhaben es zumindest die radikalen Islamistengruppen Dschabhat al-Nusar und IS. Im Januar hatte es beispielsweise eine Fatwa (eine religiöse Rechtsauskunft) aus dem Umfeld der Taliban und al-Qaida gegeben, die den Mord an „anti-islamischen“ Journalisten und Nachrichtenorganisationen erlaubte. Explizit genannt wurden die Sender Fox News, Associated Press, BBC, Pakistans GEO News und al-Dschasira.

Die gefangenen Journalisten bunkerte man wie ein Anlagevermögen – so eine Art Rücklage für schlechte Zeiten. Häufig bleibt das Schicksal von verschwundenen Medienleuten deshalb ungewiss – weil die Entführer keine Forderungen stellen und damit auch das Lebenszeichen ausbleibt. Deshalb wurde auch in Foleys Fall lange gemutmaßt, er sei schon längst nicht mehr am Leben. Andere wiederum glaubten, er sei in die Hände des Regimes von Syriens Präsident Bashar al-Assad gefallen. Foley war im November 2012, am Tag des Erntedankfests, von Bewaffneten auf seiner Rückreise in die Türkei unweit des Militärflughafens von Taftanaz, entführt worden. Foleys Verhängnis war sein Pass: US-Staatsbürger genießen bei Islamisten im Vergleich zu anderen Nationalitäten keine besondere Wertschätzung. US-Amerikaner sieht man als Stellvertreter des Weißen Hauses, dem Erzfeind und Machtzentrum der Ungläubigkeit.

Als Foley entführt wurde, existierte der IS noch gar nicht. Der Journalist, der für das Onlinemagazin „Global Post“ und die internationale Nachrichtenagentur AFP arbeitete, muss von seinen ursprünglichen Entführern also weiter verkauft worden sein – oder sie sind später selbst dem IS beigetreten. Erst als eine Reihe seiner Mit-Geiseln freigelassen wurden, erfuhr man, dass Foley noch am Leben war.

Die Verhandlungen über Foleys Freilassung sollen an Lösegeldforderungen gescheitert sein. Dessen Familie hat offenbar nach Monaten der Ungewissheit per E-Mail eine schwindelerregend hohe Lösegeldforderung erhalten: 100 Millionen Dollar (umgerechnet rund 75 Millionen Euro), wie es aus Kreisen von Unterhändlern heißt. Die US-Regierung blieb hart: Eine Zahlung kam nicht infrage, es wurde sogar verboten, überhaupt darüber zu verhandeln.

Die USA und Großbritannien haben schon vor Langem beschlossen, jegliche Geldzahlungen für verschleppte Landsleute abzulehnen. Die Ermordung von Foley zeigt nun das Dilemma der westlichen Staaten bei derartigen Geiselnahmen: Durch die Ablehnung von Lösegeld-Zahlungen riskieren sie das Leben ihrer Landsleute.

Andere Länder wie Frankreich zahlen hingegen hohe Summen und finanzieren damit die brutalen Islamisten-Gruppen – und ermutigen sie zu weiteren Entführungen. In diesem Jahr erlangten eine ganze Reihe von Journalisten ihre Freiheit wieder. Unter den mindestens zehn Freigelassenen waren die beiden spanischen Journalisten, Javier Espinosa und Ricardo Garcia Vilanova, sowie die Franzosen Edouard Elias, Didier Francois, Nicolas Henin and Pierre Torres. Wie viel Lösegeld bezahlt wurde, ist nicht bekannt. Aber es wird von mehreren Millionen Euro gesprochen. Damit sind die Entführungen in Syrien zum guten Geschäft geworden. Kein Wunder, dass andere auf den lukrativen Zug aufspringen wollen. Im Mai scheiterte nur knapp der Versuch, das britische Reporterteam der „Times“ zu entführen. Die Täter waren Rebellenkommandeure, mit denen die Journalisten zuvor bereits mehrfach zusammengearbeitet hatten.

Eine einheitliche Linie der westlichen Staaten bei Lösegeld-Forderungen verlangt der US-Journalist David Rohde, der 2009 monatelang in der Gewalt der Taliban in Afghanistan war und schließlich flüchten konnte. In der Wochenzeitschrift „The Atlantic“ schrieb er, der Tod Foleys zeige, dass der unterschiedliche Umgang der USA und europäischer Länder mit Lösegeldforderungen „die europäischen Geiseln rettet, den amerikanischen aber keine Chance lässt“. Um dennoch ihren Einsatz für eine Rettung Foleys nachzuweisen, machte die US-Regierung am Mittwoch publik, dass ein Befreiungsversuch für den US-Journalisten im Sommer unternommen worden war. Die Aktion von US-Elitesoldaten scheiterte: Die Geiseln waren nicht mehr an dem erwarteten Ort.